Richard Stallman warnt vor EU-Einheitspatent

Der Gründer der Free Software Foundation fürchtet, dass über das mit dem Vorhaben verknüpfte zentrale Patentgericht die Vergabepraxis des Europäischen Patentamtes bei Softwarepatenten bestätigt werden könnte.

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Richard Stallman hat sich in die Reihen der Kritiker des geplanten EU-Einheitspatents eingegliedert. Der Gründer der Free Software Foundation fürchtet, dass über das mit dem Vorhaben verknüpfte zentrale Patentgericht die weite Vergabepraxis des Europäischen Patentamtes (EPA) bei Softwarepatenten bestätigt werden könnte. Ein kleines, aber entscheidendes Merkmal des Plans sei es, dass Berufungsverfahren gegen Beschlüsse der Münchner Behörde just anhand der Linie der EPA-eigenen Regeln entschieden würden, schreibt Stallman in einem Gastbeitrag für den britischen "Guardian". Das Patentamt könne so die europäischen Unternehmen und Computernutzer auf seinen Kurs einschwören und ihnen zugleich die Hände binden.

"Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche" können laut Artikel 52 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) eigentlich nicht patentiert werden. Die Beschwerdekammern des EPA legen diese Klausel aber seit Jahrzehnten so aus, dass sie etwa bei der "Verbesserung des Kontrasts" eines Bildes oder bei der effizienteren Aufteilung von Arbeitsspeicher durch ein auf einem Computer laufenden Programm von einem "technischen Effekt" ausgehen, der schutzwürdig sein kann. Beobachter schätzen die Zahl der auf diesem Weg vergebenen Softwarepatente auf mehrere zehntausend und drängen darauf, den Gesetzesrahmen restriktiver anzuwenden.

Derzeit entscheide die Gerichtsbarkeit in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Patentorganisation noch gesondert, ob die vom EPA vergebenen gewerblichen Schutzrechte für "computerimplementierte Erfindungen" national gültig seien, betont Stallman. Wenn das abgespeckte Gemeinschaftspatent, dem Italien und Spanien ihre Zustimmung verweigert haben, aber angenommen werde und das Europäische Patentamt so "unkontrollierte Entscheidungsbefugnisse" erhalte, "steht Europa vor Patentkriegen im US-Stil". Es sei dabei zu bedenken, dass allein ein Smartphone nach Schätzungen von Google von rund 250.000 Schutzansprüchen abgedeckt sein könnte. Das Potenzial für rechtliche Auseinandersetzungen sei damit enorm, was jenseits des Atlantiks bereits spürbar sei.

Der Doyen der freien Softwareszene erinnert zwar auch daran, dass Europäische Gerichtshof (EuGH) kürzlich ein Gutachten vorgelegt habe, demzufolge das ursprünglich im Raum stehende Übereinkommen zur Schaffung eines EU-Patentgerichts nicht mit dem Unionsrecht vereinbar gewesen wäre, und eigene Mitspracherechte forderte. Es sei aber unklar, ob die Rechtsprechung des höchsten EU-Gerichts tatsächlich so grundlegende Entscheidungen umfassen könne wie etwa, ob in Software gegossene Ideen patentiert werden dürfen. Dies liege auch daran, dass das EPÜ derzeit noch nicht direkt mit dem EU-Rechtssystem verknüpft sei. Vertreter der Patent-Lobby sehen einer möglichen Rechtsprechung des EuGH in Fragen des im Raum stehenden neuen einheitlichen EU-Schutzrechts trotzdem sorgenvoll entgegen.

Das Konzept der EU-Kommission für ein Einheitspatent in 25 Mitgliedsstaaten hat bereits mehrere Hürden genommen und genießt schon den Segen der zuständigen europäischen Minister im Wettbewerbsrat. EU-Patente sollen demnach in den drei Amtssprachen des EPA ­ Englisch, Französisch und Deutsch ­ erteilt werden. Im Anschluss müssten die konkreten Ansprüche in die beiden anderen offiziellen Sprachen der Münchner Behörde übersetzt werden. Befürworter dieses Vorgehens erhoffen sich davon sinkende Kosten für Schutzrechte. Das Vorhaben soll im Herbst nun vom EU-Parlament beraten werden. (jk)