Parlament segnet neue Abhörbefugnisse für den Zoll ab

Der Bundestag hat mit den Stimmen der großen Koalition den Regierungsentwurf für die Novelle des umstrittenes Zollfahndungsdienstgesetzes mit Änderungen aus dem Rechtsausschuss verabschiedet.

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Der Bundestag hat am Donnerstagabend den umstrittenen Regierungsentwurf für die Novelle des umstrittenes Zollfahndungsdienstgesetzes mit den Änderungsempfehlungen aus dem federführenden Rechtsausschuss verabschiedet. Die große Koalition stimmte für die Reform, die Opposition geschlossen dagegen. Mit dem Gesetz werden die Abhörbefugnisse des Zollkriminalamts neu gefasst. Dabei sollen vor allem die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung beim "großen" und beim "kleinen" – also mit Hilfe der Telekommunikationsüberwachung erfolgenden – Lauschangriff berücksichtigt werden. Einher gehen damit aber auch deutliche Ausweitungen der Fahndungsmöglichkeiten des Zolls.

Neu ist insbesondere das Konzept der "Eigensicherung" der Beamten des Zollkriminalamtes und der von ihnen "beauftragten Personen" in Form verdeckter Vermittler. Sie sollen zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten sowie zur präventiven Aufdeckung noch unbekannter Verbrechen mit richterlicher Genehmigung "technische Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und -aufzeichnungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen von Privatgesprächen" einsetzen dürfen, was bei einer parlamentarischen Anhörung auf scharfe Kritik stieß. Die Weiterverwendung der in diesem Zusammenhang erhobenen Daten haben die Abgeordneten gemäß dem Votum des Rechtsausschusses nur bei "dringenden" Gefahren etwa des eigenen Lebens sowie Straftaten gemäß §100c der Strafprozessordnung (StPO) gestattet. Die Befugnis wird damit größtenteils an die vom Bundesverfassungsgericht gerade gebilligten Vorgaben zur akustischen Wohnraumüberwachung angepasst.

Heftig umkämpft waren die von der Regierung vorgeschlagenen Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung beim Telefonabhören. Ein Überwachungsverbot ist beim kleinen Lauschangriff des Zolls nur vorgesehen, wenn dabei "allein" Erkenntnisse aus dem "Intimbereich" erlangt würden. Diese Formulierung führt nach Ansicht von Rechtsexperten aber zu keinerlei einschränkenden Wirkung. Die gleiche Bestimmung soll nach dem Willen der Bundesregierung auch bei der geplanten Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung für Strafverfolger allgemein gelten.

Bei der Verabschiedung der Novelle, bei der die Redner ihre Beiträge angesichts der vorgerückten Stunde zu Protokoll gaben, konstruierte Siegried Kauder (CDU) einen fiktiven Fall zur Begründung der erweiterten Möglichkeiten der Zollfahnder. Ein "Scheinaufkäufer", der Verbrechen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu verhindern suche, könnte in eine für ihn außerordentlich gefährliche Situation kommen. Daher müsse sein Einsatz zur Eigensicherung von außen akustisch und gegebenenfalls auch visuell begleitet werden. Laut dem Gesetz habe sich der Beamte in Verkaufsgesprächen "sofort zurückzuziehen", wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Sollte offenbar werden, dass etwa die Einfuhr eines Raketenkopfes bevorstehe, sei diese Information im Interesse einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verwertbar. So seien verfassungsrechtliche Defizite behoben worden.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bemängelte für die FDP, dass die kernbereichsschützenden Regelungen des Gesetzesentwurfs nicht in vollem Umfang den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprächen. Völlig unzureichend seien auch die Schutzvorschriften für Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte, Ärzte oder Journalisten. Eine präventive Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme müsse auf jeden Fall immer dann abgebrochen werden, "wenn auch Kommunikationsinhalte aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden." Es sei absehbar, dass auch dieses Gesetz das Bundesverfassungsgericht erneut beschäftigen werde. Jörn Wunderlich von der Linken beklagte gar, dass mit der Novelle "der gläserne Bürger zum Staatsziel erhoben wird". Die Regelung zum Telefonabhören sei als reines "Placebo" zu bezeichnen.

Auch nach Ansicht von Hans-Christian Ströbele von den Grünen sind Regelungen des Gesetzes weiterhin verfassungsrechtlich unzureichend. So werde etwa bei der Befugnis des Zollkriminalamts zur Erhebung von Telekommunikations-Verkehrsdaten noch nicht einmal deren genaue Bezeichnung gefordert. So werde die Nutzung solcher Daten selbst dann ermöglicht, wenn die Erhebungsanordnung richterlich nicht bestätigt sei. Das sei "rechtspolitisch inakzeptabel". Die Möglichkeit zur Übermittlung personenbezogener Daten werde ferner auf zahlreiche Aufgabengebiete ausgedehnt, grenze die potenziellen Empfängerstellen nicht nach rechtsstaatlichen Kriterien ein und gestatte so einen Transfer "in Staaten, wo Betroffenen daraufhin Menschenrechtsverletzungen drohen". Auch der Wegfall der derzeitigen Befristung des Gesetzes sei nicht sachgerecht.

Der Zoll darf auf Anordnung Postsendungen öffnen und Telefongespräche abhören. Damit soll er Verstöße gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bereichen wie Staatsschutz, Betäubungsmittelkriminalität, Geldfälschung, Geldwäsche, Terrorismusbekämpfung oder den unerlaubten Außenhandel mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien besser verfolgen können. Gegen das aktuelle Zollfahndungsdienstgesetz ist noch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Für Unruhe sorgt derweil ferner eine Meldung der taz, wonach auch die Hamburger Polizei direkt in einem Briefzentrum Postsendungen auf der Suche nach potenziellen militanten G8-Gegner öffne. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski äußerte erhebliche Zweifel, dass es für derartige Maßnahmen eine rechtliche Grundlage gebe. (Stefan Krempl) / (vbr)