EU-Parlament lehnt Plan des EU-Rates zur Vorratsdatenspeicherung endgültig ab

Die Abgeordneten können sich auch nach weiteren Verhandlungsrunden nicht mit dem geplanten Rahmenbeschluss zur pauschalen Überwachung von Telekommunikationsnutzern anfreunden.

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Das EU-Parlament hat am heutigen Dienstag in seiner Plenarsitzung in Straßburg den Vorschlag des EU-Rates zur pauschalen Überwachung der elektronischen Spuren der Telekommunikationsnutzer erneut und endgültig zurückgewiesen. Im Juni hatten die Abgeordneten dem Vorhaben des EU-Rates zur europaweiten Vorratsdatenspeicherung erstmals geschlossen eine deutliche Absage erteilt, woraufhin das Papier noch einmal beraten werden musste. Aber auch bei weiteren Debatten mit der britischen Ratspräsidentschaft und der Kommission hielten die Parlamentarier an ihren prinzipiellen Bedenken gegenüber der Rundum-Beschattung der Nutzer fest. Sie sehen insbesondere keine Berechtigung für das Credo des Rates, eine derart tief in die Wirtschaftsangelegenheiten und Grundrechte einschneidende Maßnahme allein als Strafverfolgungssache zu betrachten.

Im Sicherheitsbereich haben die Abgeordneten bislang noch kein Mitentscheidungsrecht, weshalb ihre wiederholte Ablehnung des Rahmenbeschlusses für die Mitgliedsstaaten nicht bindend ist. Allerdings gehen auch der Juristische Dienst des Rates sowie die EU-Kommission davon aus, dass die Minister keine Befugnis haben, eine Rechtsgrundlage zur Verpflichtung der Anbieter zur Speicherung von Telefon- und Internetdaten bis zu drei Jahren zu erlassen. Die Kommission hat daher parallel ein eigenes Gesetzgebungsverfahren gestartet, das von Datenschützern und der Wirtschaft jedoch ebenfalls in weiten Teilen abgelehnt wird. Prinzipiell geht es bei den Vorhaben von Rat und Kommission um die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, SMS, E-Mailen, Surfen oder Filesharing anfallen.

Für den zuständigen Berichterstatter Alexander Alvaro hat das EU-Parlament mit seiner Entscheidung "nochmals deutlich gemacht, dass es bei der Frage der Vorratsdatenspeicherung ein Wort mitzureden hat". Er hofft nun, dass der Rat sich "konstruktiv an einer Lösung im Wege des Mitentscheidungsverfahrens beteiligen wird." Der FDP-Abgeordnete sieht allerdings im Vorschlag der Kommission ebenfalls noch nicht das "Gelbe vom Ei". Der Entwurf gehe zwar in die richtige Richtung, "die wesentlichen Fragen sind jedoch noch nicht geklärt. Dies betrifft unter anderem die Speicherfrist der Datensätze und welche Datentypen vorgehalten werden müssen." Die von der Kommission ins Spiel gebrachte einjährige Aufbewahrungspflicht von Telefondaten sei zu lang. Zu der sechsmonatigen Speicherfrist für Internetdaten äußerte sich Alvaro nicht.

Der Berichterstatter will jetzt "in enger Abstimmung mit Datenschützern prüfen, wie der vorliegende Entwurf verbessert werden kann." Darüber hinaus sollte die Richtlinie mit einem Verfallsdatum versehen werden, um sicherzustellen, dass eine zwingende parlamentarische Überprüfung der Maßnahme erfolgt. Prinzipielle Rückendeckung erhielt Alvaro vom Schattenberichterstatter der konservativen Europäischen Volkspartei, Herbert Reul (CDU): "Gravierende Tatbestände, die die Persönlichkeitsrechte der Bürger einschränken könnten, dürfen nicht ohne die Volksvertretung beschlossen werden."

Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Günter Gloser, rief die Bundesregierung derweil auf, "von der für Oktober 2005 vorgesehenen Verabschiedung des Rahmenbeschlusses Abstand zu nehmen". Einerseits sei dieser mit zu vielen verfahrensrechtlichen Risiken behaftet, andererseits habe der Bundestag einen umfassenden Parlamentsvorbehalt gegen eine gesetzliche Pflicht zur Vorratsspeicherung eingelegt und diese Anfang des Jahres zunächst abgelehnt. Der von der Kommission vorgeschlagene Weg im Rahmen des Binnenmarktes erscheint Gloser angesichts jüngster Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Europäischen Haftbefehl und des Europäischen Gerichtshof zum Umweltstrafrecht auf jeden Fall als "vorzugswürdig". Berlin sollte daher auch in Brüssel darauf dringen, dass die Beratungen zum Rahmenbeschluss komplett aufgegeben werden. Andernfalls könnten die Parlamentarier neben den "möglicherweise berechtigten Interessen der Strafverfolgungsbehörden" nicht die "ebenso berechtigten Interessen der Bürger sowie der Telekommunikationswirtschaft" in das Verfahren einbringen.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen, siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)