"Das Internet macht niemanden zum Terroristen"

"Man fühlt sich im Internet in Emotionen, Einstellungen und politischen Ansichten nicht mehr so allein", sagte der Leiter der Kriminologischen Zentralstelle. "Das Internet macht aber niemanden einfach so zum Kriminellen oder zum Terroristen."

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Von
  • Ira Schaible
  • dpa

Das Internet erleichtert den Zugang zu extremsten Ansichten aller Art – und lässt diese nach Einschätzung des Kriminologen Rudolf Egg dadurch normaler erscheinen. "So exotisch kann ein Hobby und so extrem eine politische Ansicht gar nicht sein, als dass sie keiner im Internet teilt", sagte der Kriminalpsychologe im Gespräch mit dpa. "Es gibt nichts, was so bizarr ist, dass man es da nicht findet."

Das Internet ermögliche den Zugang zu Meinungen und Einstellungen, die auf anderen Wegen nur ganz schwer zu bekommen wären, sagte der Leiter der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, einer Forschungs- und Dokumentationseinrichtung des Bundes und der Länder. "Durch diese größere Verfügbarkeit entsteht der Anschein des Normalen."

So habe beispielsweise der sogenannte Kannibale von Rotenburg im Internet Dutzende Menschen gefunden, die ähnliche Vorlieben hatten, während Menschen mit kannibalistischen Neigungen früher ganz allein geblieben wären. Der Mann hatte 2001 einen Menschen entmannt, getötet und Teile der Leiche aufgegessen – fünf Jahre später wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.

"Man fühlt sich im Internet in Emotionen, Einstellungen und politischen Ansichten nicht mehr so allein", sagte Egg. "Das Internet macht aber niemanden einfach so zum Kriminellen oder zum Terroristen", sagte Egg. "Was wirklich die Ursachen dafür sind, weshalb sich jemand auf so einen Weg macht, muss anders erklärt werden."

Der Prozess gegen den islamistischen Attentäter vom Frankfurter Flughafen, der im Internet radikalisiert worden sein soll, beginnt am Mittwoch in Frankfurt. Der 21-Jährige ist angeklagt, vor rund einem halben Jahr zwei US-Soldaten erschossen und zwei andere schwer verletzt zu haben, die auf dem Weg zu einem Einsatz nach Afghanistan waren. Der Einzeltäter soll sich am Abend zuvor ein Propagandavideo für den Dschihad angesehen haben, in dem angeblich amerikanische Soldaten muslimische Frauen vergewaltigen. (jk)