Musikmachen im Web

Das Start-up Ujam will Nutzern helfen, kreativ zu werden: Direkt im Browser können sie sich ohne großen Aufwand eigene Songs zusammenklicken.

vorlesen Druckansicht 8 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Das Start-up Ujam will Nutzern helfen, kreativ zu werden: Direkt im Browser können sie sich ohne großen Aufwand eigene Songs zusammenklicken.

War das Internet in der Anfangszeit vor allem auf den Konsum von Inhalten ausgelegt, nutzen heute immer mehr Menschen das weltweite Datennetz für ihre kreative Seite. In Blogs schreiben sie Geschichten, bei Youtube laden sie Filme hoch und auf Flickr präsentieren sie anderen Nutzern ihre besten Schnappschüsse.

Dabei hilft Software, das Ergebnis zu professionalisieren: Schnittprogramme erlauben das Erstellen von Videos, wie das früher nur Experten konnten, Filter und andere Bildverbesserungsroutinen sorgen für hübschere Fotos. Selbst Texte werden dank Technik besser – und sei es nur deshalb, weil Nutzer sie mittlerweile gewohnheitsmäßig durch eine automatische Rechtschreibkorrektur schicken.

Auch im Musikbereich stehen Amateuren mittlerweile Möglichkeiten zur Verfügung, die sich früher nur Profis leisten konnten. Schon ein Funken Kreativität reicht aus, interessante Songideen zu verwirklichen. Allerdings muss man sich die dafür notwendige Software erst kaufen und installieren.

Das von deutschen Internet-Unternehmern gegründete Start-up Ujam aus Menlo Park in Kalifornien will das Musikmachen am Computer nun noch deutlich einfacher machen. Statt sich eine Software herunterladen zu müssen, können Interessierte die Technik der Firma in jedem handelsüblichen Browser wie Firefox, Safari oder Chrome nutzen. Einzig das auf fast jedem Rechner installierte Plug-in für die Multimedia-Technik Flash muss installiert sein.

Ujam erlaubt es auch Anfängern, einen durchaus professionell klingenden Song zu produzieren – und das bislang kostenlos. Dazu beginnt der Nutzer mit einer Melodie, bei der es ausreicht, sie ins Mikrofon des Rechners zu singen, zu summen oder mit einem Instrument einzuspielen – einzige Voraussetzung ist, das zunächst keine Akkorde verwendet werden.

Die so eingespeiste Melodie wird vom Ujam-Server im Internet anschließend analysiert. Die Software versucht, Tonhöhen möglichst genau zu erkennen. Wer seine Stimme nicht leiden mag, kann die Melodie anschließend auch von einem anderen Instrument wiedergeben lassen.

Dann beginnt die eigentliche Kreativarbeit: Ujam erlaubt es, die Melodie mit passenden Akkorden samt Rhythmusgruppe zu unterlegen. Dabei kann man sich nach Herzenslust aus zahlreichen Stilen von "Klassik" über "Dance" bis hin zu "Rock" das Passende aussuchen. Anschließend startet das Feintuning: So lassen sich Refrain und Zwischenspiel einbauen, Melodie und Akkorde auch nachträglich ändern.

Das fertige Werk kann dann auf der Ujam-Website ausgestellt oder mit Freunden in sozialen Netzwerken geteilt werden – Facebook wird ebenso unterstützt wie das Musikernetz Soundcloud, bei dem andere User Songs bewerten und bis in einzelne Passagen hinein kritisieren dürfen.

Ujams Idee scheint anzukommen: Das Start-up hat bekannte IT-Investoren wie die Risikokapitalfirma des SAP-Gründers Hasso Plattner angelockt und wird von Künstlern wie dem Filmmusiker Hans Zimmer beraten. Auf der Start-up-Konferenz "TechCrunch Disrupt" belegte Ujam kürzlich den zweiten Platz – für Firmen mit europäischer Herkunft eine Seltenheit.

Die beiden Gründer Peter Gorges und Axel Hensen kommen selbst aus dem Musikbereich. Mittlerweile arbeiten fast 20 Leute an Ujam, wichtige Teile der Programmierarbeit erfolgen in der Hansestadt Bremen.

Geplant ist nun ein schrittweiser Ausbau. Die Zielgruppe ist breit: Von Menschen, die noch nie Musik gemacht haben bis hin zu Semiprofis, die ihre Kreationen mit Hilfe der Ujam-Technik verfeinern wollen.

Die Herausforderung an die Infrastruktur ist allerdings nicht gering: Normalerweise kommen Web-Anwendungen ohne Multimedia-Anforderungen aus. Ujam muss dagegen hunderten Nutzern gleichzeitig ermöglichen, Musik zu machen – auf ein und derselben Plattform. Aus diesem Grund begann Ujam zunächst mit einem kleineren Betatest, mittlerweile ist das Angebot für jeden Interessierten nutzbar.

"Virtuelle Musiker machen es im professionellen Bereich möglich, auch ohne teure Studiomusiker hochwertig klingende Resultate mit nur wenigen Handgriffen zu erstellen", sagt Gründer Axel Hensen. Genau das wolle man nun auch normalen Nutzern zur Verfügung stellen, die erst mit dem Musikmachen anfangen. "UJAM bietet damit einer breiten Masse Mittel, die ihr sonst nicht zur Verfügung stehen würden. Deswegen sprechen wir oft von Demokratisierung." (bsc)