Auf der Suche nach den Helden des Büroalltags

Eine neue Monitoring-Software erstellt digitale „Charakterprofile“ von Angestellten. Sie soll aber nicht nur der Überwachung dienen, sondern produktive Mitarbeiter fördern und vor Mobbing schützen, versichern die Entwickler.

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Von
  • Kate Greene

Eine neue Monitoring-Software erstellt digitale „Charakterprofile“ von Angestellten. Sie soll aber nicht nur der Überwachung dienen, sondern produktive Mitarbeiter fördern und vor Mobbing schützen, versichern die Entwickler.

Im Zeitalter der Dauerkommunikation ist die Arbeitsproduktivität in Büros eigentlich permanent bedroht: Gelangweilte Mitarbeiter tummeln sich auf Facebook oder chatten; Diskussionen per Mail versickern, weil sich alle um ein klares Wort herumdrücken; Entscheidungen werden elegant aufs nächste Meeting verschoben. Die kalifornische Firma Cataphora will diesem Schlendrian nun mit einer neuen Software ein Ende machen: Sie erstellt aus sämtlichen Dokumenten – Mails, Terminplanern, Texten oder Listen von Telefongesprächen – digitale „Charakterprofile“ der Mitarbeiter sowie des gesamten Unternehmens. Die sollen dann dem Management helfen, ihre Mitarbeiter produktiver zu machen.

Die Cataphora-Software kann beispielsweise erfassen, welche Schriftfarben Mitarbeiter in Emails benutzen, wie sie Ausrufezeichen setzen oder mit Hilfe von anderen Satzzeichen Flüche formulieren, wie sie ihre Emails beenden und ob sie „bitte“ häufiger als üblich verwenden. Denn das scheinbar arglose Wörtchen „bitte“ kann bereits eine Menge über einen Angestellten verraten.

Inflationär benutzt, könne es auf Ohnmacht und Frustration hindeuten, weil vorherige Mails unbeantwortet blieben, erläutert Elizabeth Charnock, CEO von Cataphora. Firmen seien gut beraten, frustierte Mitarbeiter im Auge zu behalten, bevor sie ihrem Ärger Luft machen und größeren Schaden anrichten. Ähnlich wichtig sei es, diejenigen zu identifizieren, die sich vor Entscheidungen drücken. „Solche Leute wollen Sie wohl kaum in Führungspositionen haben“, sagt Charnock.

Die Software basiert auf Erfahrungen, die die Firma über Jahre mit Datendiensten für Anwaltskanzleien gesammelt hat, wenn die große Datenbestände zu analysieren hatten. Die Grundidee sei, nicht nur das Verhalten von Angestellten am Arbeitsplatz zu beobachten – etwa ob jemand in der Pause am Büro-PC Porno-Webseiten aufruft –, sondern herauszufinden, wie ein Angestellter tatsächlich tickt, sagt Daryl Nord, Professor für Management- Informationssysteme an der Oklahoma State University.

„Monitoring-Software beschränkt sich heute nicht mehr darauf, Verhalten zu beobachten und das Beobachtete zu speichern und weiterzuleiten“, betont Nord. Inzwischen könne sie auch „Anomalien im Verhalten“ festzustellen, Veränderungen über einen bestimmten Zeitraum erfassen oder Gewohnheiten vergleichen, die sich bei Angestellten mit derselben Aufgabe, aber an verschiedenen Orten herausbilden. „Die neuen Monitoring-Systeme können das Management warnen, ob illegale Dinge vor sich gehen, die Sicherheit der Firma bedroht ist oder die Produktivität leidet“, sagt Nord.

Auch andere Firmen intensivieren mit ähnlichen Programmen die Überwachung der Angestellten. Das System von SpectorSoft aus Florida lässt sich in sämtlichen elektronischen Geräten eines Unternehmens installieren. Es hält in regelmäßigen Abständen den Bildschirminhalt der laufenden Rechner fest und notiert, wann Dateien auf einen USB-Stick verschoben werden. Hält sich ein Mitarbeiter zu lange auf bestimmten Webseiten auf, gibt die Software Warnmeldungen an die Vorgesetzten ab.

Wieviel Zeit für das Schreiben von Emails draufgeht, wer die meisten Email-Anhänge versendet – auch solche Kleinigkeiten wertet das Programm aus. „Viele Firmen wollen damit ein normales Arbeitsverhalten definieren“, sagt Jeani Park von SpectorSoft, „Abweichungen davon könnten dann auf Betrug hindeuten.“

Um die Kommunikation im Büro zu verbessern, analysiert das kanadische Start-up Lymbix Tonfall von Emails während des Schreibens. Kommt die Software zu dem Schluss, dass eine Formulierung Kollegen unabsichtlich verärgern könnte, blendet sie eine Warnmeldung ein.

Cataphora, SpectorSoft oder Lymbix sind Ausdruck einer Entwicklung, in der Unternehmen immer genauer festlegen wollen, wie ihre Angestellten im elektronischen Arbeitsalltag agieren. Das geschehe zunehmend mittels Software, beobachtet Nancy Flynn, Direktorin des ePolicy Institute, einer Beratungsfirma aus Ohio. Bereits 2009 regelten laut einer ePolicy-Studie 46 Prozent aller Firmen die Nutzung von sozialen Onlinemedien, 82 Prozent hatten Richtlinien für das Verfassen von Emails im Unternehmen aufgestellt, 36 Prozent für den Gebrauch von internen Chat-Systemen.

„Die Zahl der Arbeitgeber, die Internet-Nutzung und Email überwachen, nimmt definitiv zu“, bekräftigt Flynn. Ebenso würden Firmen zunehmend ein Auge auf andere Online-Aktivitäten ihrer Mitarbeiter, etwa in Blogs oder sozialen Netzwerken, haben.

Der Ansatz von Cataphora, digitale Charakterstudien anzufertigen, gehe jedoch über die bisherigen Technologien hinaus, sagt Flynn. So mancher Mitarbeiter dürfte darüber nicht gerade begeistert sein. Doch Cataphora-Chefin Charnock meint, dass ihr System, richtig eingesetzt, auch helfen könnte, die guten Mitarbeiter in ein besseres Licht zu rücken oder vor Mobbing schützen. „Die Erkenntnis wird sich durchsetzen, dass ein angemessenes Monitoring gut sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer ist“, erwartet Charnock. Die Cataphora-Software soll in Kürze auf den Markt kommen. (nbo)