RoboCup-WM: Abschied von den Aibos?

Endet heute im Finalspiel der "Vierbeiner" die steile Karriere der Aibos?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 28 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Andreas Stiller

Mit dem Finalspiel in der Four-Legged-Liga (ab etwa 13:00) endet heute vielleicht auch die steile Karriere der Aibos, die seit 1999 eine zentrale Rolle beim RoboCup spielen. Der Ausstieg von Sony aus der Roboterentwicklung kam nicht nur für viele überraschend -- für die RoboCup-Forschung kam er auch mindestens einige Jahre zu früh. Durch die für alle gleiche Hardwareplattform ist die Four-Legged-Liga ein Bindeglied zwischen der Middle-Size-Liga, bei der auch die Hardware-Entwicklung eine sehr große Rolle spielt, und der Simulationsliga, die sich mit den daraus erwachsenden praktischen Problemen nicht herumschlagen muss und deshalb sofort in die Entwicklung von Taktiken und Strategien einsteigen konnte. Gleichzeitig waren die Vierbeiner die Wegbereiter für die Entwicklung der Humanoiden, die seit 2002 beim RoboCup mit antreten. Anders als die rollenden Roboter, bei denen man zunächst nur die Bodenebene berücksichtigt, bewegen sich die Aibos mit ihren vielen Freiheitsgraden wie Menschen immer im dreidimensionalen Raum. Das gerichtete Sehen der Roboterhunde mit einem Blickwinkel von nur 45 Grad liefert viele Anregungen für die Entwicklung einer möglichst menschenähnlichen Wahrnehmung. Dank der von Beginn an funktionierenden Beweglichkeit der Aibos konnten sich die Teams auf die Software-Entwicklung konzentrieren, wobei die für alle gleiche Plattform den Austausch der Teams untereinander sehr einfach macht.

Nun werden die langjährigen Publikumslieblinge bestenfalls noch einmal beim RoboCup im nächsten Jahr dabei sein. Sicher ist das aber noch nicht, auch wenn viele Teams gerne in Atlanta noch einmal antreten würden. Auch wenn Sony noch für einige Zeit die Lieferung von Ersatzteilen zugesagt hat, sind die Chancen, die Roboterhunde schrittweise bis zum 11-gegen-11-Spiel weiterzuentwickeln, praktisch gleich null. Dieses Gefühl, dass die Zeit nicht mehr reichen wird, um das Potenzial in dieser Liga ganz auszureizen, hat sicher dazu beigetragen, bereits jetzt zu versuchen, statt mit zwei Vierermannschaften gleich mit 22 Aibos auf einem Middle-Size-Feld zu spielen.

Nach der viel versprechenden Premiere bei den Dutch Open ist bei der RoboCup-WM nun der zweite Versuch über die dicht umlagerte Bühne des Center Court gegangen: Das Spiel mit 22 Aibos auf dem großen Middle-Size-Feld erwies sich erwartungsgemäß als Publikumsmagnet.

Obwohl kein Team so viele Hunde besitzt, um mit einer Elfermannschaft zu arbeiten, schlugen sich einige Hunde recht wacker und versuchten mit dem Ball das ungewohnt weit entfernte Tor zu erreichen. Aber bereits der Wechsel auf das andere Feld machte ihnen Schwierigkeiten. Die Entfernung von Tor zu Tor betrug nun 12 statt der gewohnten 5 Meter -- das reicht gerade so, dass die Bildverarbeitung die Tore erkennt, weiter entfernte Bälle sehen die Aibos aber nur noch mit Glück. Beim Wechsel auf ein anderes Feld ändert sich nicht nur die Größe, sondern es muss auch die Farbtabelle an die anderen Lichtverhältnisse angepasst werden. "Ein Blauer alleine vor dem gegnerischen Tor, aber wieder keiner da" -- dieser Satz des Kommentators hätte auch wunderbar auf so manches menschliche Fußballspiel gepasst. Trotzdem -- einen ganz so unkoordinierten Eindruck wie einige der 22 Aibos auf dem Feld machen menschliche Fußballer nur selten. Allerdings treten Menschen auch selten vollkommen untrainiert an. Und so entwickelte dieses Spiel bei weitem nicht so viel Dynamik wie die 4:4-Spiele, bei denen die Geräuschkulisse durch das Publikum sofort auf ein Fußballspiel schließen lässt. Aber auch bei den bisher üblichen Vierermannschaften ist die Kooperation noch längst nicht so ausgefeilt, wie sich die Forscher das wünschen würden. Matthias Jüngel vom Aiboteam der Berliner Humboldt-Universität, die gemeinsam mit der Universität Bremen und der Technischen Universität Darmstadt das German Team stellt, beschäftigt sich in seiner Doktorarbeit unter anderem damit, wie ein Roboter sich am besten ein Bild von der ihn umgebenden Welt machen kann.

"Noch wird bei den Aibos laufend auf den Zentimeter bestimmt, wo die anderen auf dem Spielfeld sind und wo der Ball ist, aber Menschen machen das nicht so", erklärt Jüngel. "Die verschaffen sich einen groben Überblick und schauen ganz zum Schluss nochmal genau hin, wo Ball und Tor sind, um ihr Modell mit der Situation abzugleichen." Diese Fragen müssen natürlich auch bei den Humanoiden gelöst werden, aber deren Aktivitäten erreichen noch lange nicht die Komplexität, die ein Mannschaftsspiel der viel beweglicheren Aibos hat. "Ich würde gerne mit den Aibos weiterarbeiten, eben weil die Humanoiden all die spannenden Fragen noch nicht können", erklärt Jüngel. "Aber es ist auch gut, wenn man nach ein paar Jahren neue Impulse bekommt aus einer anderen Liga mit anderen Wettbewerben."

Wahrscheinlich wird dies demnächst ganz massiv stattfinden, allerdings nicht in die Four-Legged-Liga hinein, sondern aus ihr heraus. Besonders in der Humanoid-Liga profitieren die Teams von Anfang an von den mit den Aibos gemachten Erfahrungen. Bereits jetzt haben viele Universitäten sowohl Four-Legged-Teams als auch Humanoid-Teams aufgebaut. Wenn sich nicht noch eine Ersatzplattform für die Aibos findet, dürfte sich der Trend zu den Zweibeiner deutlich verstärken (anm)

Zu den RoboCup-Wettbewerben und der zugehörigen Forschung siehe:

  • Mehr als nur Fußball, RoboCup-WM wird erstmals in Deutschland ausgetragen, c't 13/06, S. 98
  • KI auf dem Fußballfeld, Praktische Forschung bei der RoboCup-Weltmeisterschaft, c't 13/06, S. 102

Zur diesjährigen RoboCup-WM und den begleitenden Veranstaltungen:

Zur RoboCup-WM 2005:

Zur RoboCup-WM 2004:

Siehe zu dem Thema Robotik auch das c't-Roboterprojekt: (as)