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Was war. Was wird.

"Was bist du?" -- Eine Antwort auf diese Frage wird in diesen Tagen über etliche Kanäle verbreitet. Hal Faber ist es nicht gelungen, sie zu ignorieren.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Endlich. Jawoll, die ganze Woche lacht sich ganz Deutschland über die nunmehr gestartete Gutmenschen-Kampagne Du bist Deutschland scheckig, die dem Begehren des Chad Kroski entsprungen sein könnte. Eine Kampagne mit dem Schweizer Albert Einstein, die man nur mit seinem Landsmann Du bist Ackermann passend erwidern kann, während unsere wahren großen Deutschen verkannt werden. Das ist das Schöne an dem selten dämlichen Ruck der Werber, er löst andere Rucks aus, die einfach besser sind. Mein Favorit ist natürlich diese Interpretation. Du bist Deutschland? Du bist geklaut.

***Sehr staatstragend hat in dieser Woche vor dem Feiertag, dem Tag der Deutschen Duheit, die Firma Symantec ganze Zeitungsseiten gelb eingefärbt und mit der Sentenz "Freiheit, Gleichheit, Sicherheit" gefüllt. Ein Spruch, so richtig nach dem Geschmack des Bundesinnenministers Otto Schily, der in dieser Woche den eklatanten Rechtsbruch bei der Razzia nach Gutsherrenart vor den Verlegern rechtfertigte. Die Pressefreiheit rechtfertige keine Gesetztesbrüche, erklärte der Oger der SPD den Gesetzesbruch der Behörden, die 15 Kisten mit "Zufallsmateial" mitnahmen und sämtliche Festplatten beschlagnahmten, um den E-Mail-Verkehr der Redaktion nachvollziehen zu können. Nun hat Cicero die Cicero-Affäre dokumentiert und wenn man die Details Revue passieren lässt, ist der Schluss nicht von der Hand zu weisen, dass der gefährlichste Mann der Welt in einem Ministerium sitzt und den Quellenschutz im Namen der Staatssicherheit abschaffen möchte. In diesem Sinne muss Judith Miller erwähnt werden, die 85 Tage im Gefängnis verbrachte, weil sie ihre Quellen nicht verraten wollte. Du lebst in Deutschland, in dem Redaktionen wieder durchsucht werden können, sage ich mir. Was für ein Glück, dass du nicht Deutschland bist. Was für ein Glück, dass es auch in Deutschland noch Journalisten gibt, die nicht lebende Gleitcreme für die Politiker sind.

*** Hurra, Deutschland, du glückliches Land, in dem es 100.000 Arbeitslose weniger gibt und nur 4,6 Millionen Menschen von der Arbeit ausgegrenzt sind, weil es schlicht nicht so viel Arbeit gibt. Bemerkenswert ist dabei vor allem, wie die Presse das von der Bundesagentur verbreitete Hartz-IV-Märchen von den saumseligen Optionskommunen übernimmt, die angeblich ihre Zahlen nicht melden konnten und erst jetzt mit 37 meldenden von insgesamt 69 Optionskommunen die Qualität des Zahlenmaterials verbessern. Erst neulich ist erst der XML-Meldesatz fertig definiert worden, mit dem die harten, nicht mehr hochgerechneten Zahlen der Optionskommunen in Nürnberg in die Gesamtstatistik einfließen können. Der gesamte Meldesatz besteht aus 15 XML-Modulen, geht weit über die bisherigen Statstiken hinaus und ist eigentlich ein Fall für die Datenschützer, heißt es bei den Optionskommunen: Nürnberg schnüffelt, dass es kracht. Du bist in Deutschland arbeitslos? Man weiß alles über dich.

*** Du bist Recklinghausen. Überall in der Stadt gibt es jetzt Notebook-Servicestationen, denn Recklinghausen ist fest in der Hand von Dell und Microsoft. 50 Prozent aller Eltern mit schulpflichtigen Kindern schaffen sich Notebooks an: "Für einen Monatsbeitrag von 30 Euro über eine Laufzeit von 42 Monaten erwerben die Eltern für ihre Kinder ein leistungsfähiges Dell-Notebook inklusive Software-Lizenzen für Microsoft Windows XP und Microsoft Office 2003." Für die anderen, die nicht das Geld haben, gibt es noch die Teilnahme an der Bildungslotterie. Wer auch hier Pech hat, muss seine Kinder anderswo auf die Zukunft des Arbeitsmarktes vorbereiten, wenn ihnen die digitalen Unterrichtsinhalte verschlossen sind. Und in 42 Monaten bewundern wir die Neuen Ruhrfestspiele.

*** Beim Jubiläum ist es spätestens an der Zeit, Deutschland zu verlassen. Man könnte es wieder einem mit dem größen jüdischen Komiker Groucho Marx versuchen, der heute Geburtstag hat und fröhlich zum erweiterten Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr singen: "We got guns, they got guns, all God's chillun got guns". Das große Jubiläum aber gebührt dem Mann, dem ich meine Existenz verdanke. Heute vor 60 Jahren erschien ein Artikel in der "Wireless World", in der der große Hal-Forscher Arthur C. Clarke sich detailliert mit Extraterrestrial Relays befasste. Bereits im Februar hatte Clarke einen Leserbrief geschickt, der sich damit beschäftigte, was man in Friedenszeiten mit Raketen machen könnte. Was Arthur Clarke beschrieb, war nichts weniger als der genaue Bauplan für geostationäre Satelliten, auch wenn er noch von bemannten Satelliten oder Raumstationen ausging. Heute ist der Clarke orbit ein ziemlich überfüllter Raum, ohne den die Idee eines weltumspannenden Kommunikationsnetzes nicht denkbar wäre.

*** Kritik gab es an meiner Kritik an Scott McNealy in der vorigen Woche, der witzelte, zur globalen Erwärmung würde das morgendliche Einschalten von Millionen von Dell-Heizlüftern beitragen. Die Erwärmung könne nicht einfach mit den Hurikans in Verbindung gebracht werden, da wissenschaftlich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Erwärmung und zunehmenden Hurrikans existiert, lautete die Kritik. Ich bleibe dennoch bei der Bewertung "geschmacklos". So nenne ich aber nicht nur die Witzchen, sondern auch Dinge wie Eolas' Hurricane Relief Edition. Sie ist verlogen, weil Eola mit seinem nunmehr wiederholt bestätigtem Patent viel Geld von Microsoft haben will und die Software nur der guten Ordnung halber anbietet, damit man Softwarefirma ist. Angelegentlich des Patent-Irrsinns darf natürlich nicht das Patent eines führenden MIT-Wissenschaftlers für die Code-Suche fehlen, die im Fall von SCO Millionen von gestohlenen Codezeilen entdecken konnte, mit leisem Wehmut. Denn es ist still geworden um SCO. Ganz für umme hat sie von Microsoft das Me von Windows Me bekommen und nun touren Bruce Forman and his Cow Bop Western Swing Band auf der Route 66 und begeistern die Jugend mit Musi und der Rich Mobility Software von SCO. Cow Bop? Bissu Deutschland, muttu Hansi Hinterseer fragen.

Was wird.

Du bist Dresden und darfst endlich die Gretchenfrage beantworten: "Was würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre?" Das Ergebnis soll Merkel ins Kanzleramt spülen. Das Gegenteil, ein unspülbarer Kanzler, käme nur zustande, wenn 98 Prozent aller 219.000 Wähler den Schröder machen. Während Dresden Mittelpunkt von Deutschland ist, der neue Harry Potter auch schon wieder ausgelesen ist, hat das kleine, aber feine Heiseforum ein zentrales Problem erkannt. Der Himmel könnte uns noch vor dem nächsten Asterix-Comic auf den Kopf fallen. Der Zähler mit den Newsmeldungen nähert sich rasant der Zahl 65536. Jeder mit dem PC aufgewachsene Mensch weiß, dass es danach kein Leben gibt und alle Nachrichten im großen A20-Gate verschwinden. Glaubt jemand wirklich, dieser dauernd beschimpfte Nachrichtenticker, der a) lahm ist, b) falsch berichtet, c) Rechtschreibfehler seinen Lesern schenkt und d) nicht die Presseerklärungen einfach abschreibt, schafft den Sprung auf 32-Bit-Nachrichten? Die Wetten laufen, doch der Untergang ist nah.

Du bist Deutschland. Du bist um drei Uhr verabredet. Du entdeckst staunend die deutschen Stämme und ihre Sprachen. Du lebst in Deutschland, in dem es kalt und kälter wird, in dem die Jacken von der Alternative Spion oder Blockwart künden. Da zieht es uns doch in wärmere Gefilde, ins Land, wo die Zitronen blühn und wo der Hexameter auf Frauen-Vliesen trommelnde Überdeutsche Goethe auf seine Weise schon geschrieben hat, was er von Deutschland hält:

"Mutter und Tochter erfreun sich ihres nordischen Gastes,
Und der Barbare beherrscht römischen Busen und Leib." (Hal Faber) / (anw)