Studie: "Breitband für alle" ist machbar

Laut einem von den Grünen in Auftrag gegebenem Gutachten ist der sogenannte Breitband-Universaldienst – die Verpflichtung der Netzbetreiber zu einer flächendeckenden Versorgung – sinnvoll und machbar.

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Die Grünen haben am Mittwoch in Berlin ein Gutachten (PDF-Datei) über die Rahmenbedingungen für einen Breitband-Universaldienst vorgestellt. Die Universaldienstverpflichtung um einen leitungsfähigen Internetzugang zu erweitern würde bedeuten, dass Breitbandanschlüsse wie Telefon, Wasser und Strom zur Grundversorgung für alle Haushalte gehören. Zugangsanbieter würden dann alle deutschen Haushalte mit einem leistungsfähigen Breitbandanschluss versorgen müssen. Das sei rechtlich machbar und volkswirtschaftlich sinnvoll, bilanziert die Studie der Beratungsgesellschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW econ) und der Universität Münster. Eine Auflage für Provider müsse aber "technologieneutral sein und Wettbewerbsverzerrungen minimieren", betonte der Münsteraner Rechtswissenschaftler Pascal Schumacher.

Die 2009 überarbeitete EU-Universaldienstrichtlinie sehe eine Erweiterung auf Breitband vor, um die unversorgten "weißen Flecken" anzuschließen. Dafür sei ein nationaler Rechtsrahmen nötig, wofür sich die laufende Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) anbiete. Laut EU-Recht sei die von der Mehrheit der Teilnehmer in einem Land genutzte Bandbreite maßgeblich: "Dabei springt so bis zu 6 MBit/s raus", sagte Schumacher. Lege man eine strengere Empfehlung an, wonach 80-Prozent der Teilnehmer eine gewisse Bandbreite bereits nutzen müssten, liege man in Deutschland zwischen 2,5 und 3 MBit/s. Skeptisch zeigte sich der Forscher, dass eine flächendeckende Breitbandversorgung mit der Mobilfunktechnik LTE erreicht werden könne.

Auf etwas über eine Milliarde Euro bezifferte Anselm Mattes von DIW econ die Kosten, um knapp 4 Millionen Haushalte aufzurüsten, die derzeit mit weniger als 2 MBit/s versorgt sind. Dem stünden Einnahmen für die Provider durch Nutzungsgebühren gegenüber. Die vom Staat zum Ausbau verpflichteten Unternehmen könnten damit ihre eigenen Kosten mittelfristig aber voraussichtlich nicht decken. Man müsse jedoch auch den "großen Nutzen" für die Verbraucher mit einberechnen. Bei einer flächendeckenden Breitbandversorgung mit 2 MBit/s betrage dieser rund 140 Millionen Euro pro Jahr. Dazu kämen höhere gesamtwirtschaftliche Zuwächse in Höhe von fünf bis 8 Milliarden Euro.

Mattes' Kollege Pio Baake empfahl, den Breitband-Universaldienst über regionale Ausschreibungsverfahren zu handhaben. Dabei sollten Bündelangebote für einzelne Regionen möglich sein, um Kostenvorteile zu nutzen. Zur konkreten Finanzierung empfehlen die Forscher einen Unternehmensfonds einzurichten, der sich nach den Umsatzanteilen der Netzanbieter richten solle. Eine Breitbandabgabe, wie sie wiederholt schon ins Spiel gebracht wurde, sei verfassungswidrig.

Die Grünen hatten im Januar angekündigt, die Voraussetzungen für eine Breitband-Grundversorgung aller Haushalte mit mindestens 2 MBit/s prüfen zu wollen. Mit dem Gutachten im Rücken haben sie nun einen Fraktionsbeschluss verabschiedet, in dem sie einen "gesetzlichen Anspruch" für Breitband mit 6 MBit/s fordern. "Für die Grundversorgung wollen wir den Universaldienst ab 2013", erläuterte die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Tabea Rößner. Mittelfristig spricht sich die Oppositionspartei für den Aufbau eines "bis in die Häuser führenden Glasfasernetzes" aus.

Im Parlament sind die Grünen mit ihrem Vorstoß nicht allein. Vertreter der CDU/CSU-Fraktion machten sich im April zunächst für einen Breitband-Universaldienst mit mindestens 16 MBit/s stark. In ihrem aktuellen Forderungspapier zur TKG-Reform spricht sich die Union vorsichtiger für eine "Universaldienstverpflichtung bei Marktversagen" aus. Eine entsprechende Verordnung soll sich an der von der Mehrheit genutzten Bandbreite orientieren und einen "erschwinglichen Preis" vorschreiben. Zudem seien die "von der Mehrzahl der Teilnehmer vorherrschend verwendeten Technologien" zu berücksichtigen. Die Union will dabei alle Provider mit einem Marktanteil von mehr als 4 Prozent in die Pflicht nehmen.

Zugangsanbieter und Provider sind strikt dagegen, den Universaldienst auszuweiten. Branchenverbände haben vorige Woche an die Politik appelliert, die Finger von einem Breitband-Universaldienst zu lassen. Der Ausbau würde dadurch verzögert und der Wettbewerb behindert. Die Branchenvertreter betonen, dass die Unternehmen "im fairen Wettbewerb der Technologien und Geschäftsmodelle das Land schneller, kostengünstiger und besser" mit Breitbandzugängen versorgen könnten "als mit einem Ausbau per Dekret". (vbr)