Softwarepatentgegner fordern "ordentliche Richtlinie"

Auf einer Demo in Berlin traten knapp 100 empörte Programmierer und Mittelständler für neue Verhandlungen im EU-Rat ein.

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Rund 100 Aktivisten haben am Dienstagnachmittag trotz Eiseskälte erneut eine knappe Stunde vor dem Bundesjustizministerium in Berlin gegen Softwarepatente demonstriert. Zu der Protestkundgebung hatte der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) geladen. Die Demonstranten wollten die Bundesregierung zu einer Kursänderung im Streit um die Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" im EU-Rat bewegen. Ende Dezember habe Bundesjustizministerin Brigitte Zypries versprochen, sich für eine akzeptablere Lösung einzusetzen, erklärte Christian Cornelssen vom FFII, "doch nach wie vor gibt es keine wirkliche Debatte im Rat". Ständig sei nur vom Durchwinken der Position vom Mai die Rede, was dann aber doch nicht passiere. "Wie lange will der Rat noch solche Tänzchen veranstalten?", fragte Cornelssen und fügte an: "Unsere demokratischen Rechte werden mit Füßen getreten."

Für die Schar an Programmierern und Technikexperten war klar, dass der Standpunkt des Ministergremiums keinesfalls abgenickt werden darf. Sie übergaben Ulf Gerder, dem einzigen Vertreter des Justizministeriums, der sich gezeigt hatte, mehrere Unterschriftenlisten gegen die momentane Ratsposition und gegen Softwarepatente allgemein. Dazu zählte der "dringende Aufruf" des FFII an nationale Regierungen und Parlamente, der von zahlreichen Politikern und Verbänden gestützt wird, genauso wie eine von 115 Betrieben gezeichnete Erklärung der "Initiative Hamburger Unternehmen gegen Patentierbarkeit von Software". Die Demonstrationsleiter legten Gerder zudem eine ausgedruckte Version des Antrags aus dem Bundestag ans Herz, mit dem die Abgeordneten den Monopolschutz für Computerprogramme "effektiv begrenzen" wollen.

Die Sicht eines Mittelständlers legte Dirk Hillbrecht dar, Geschäftsführer einer Hannoveraner Softwarefirma mit vier Arbeitsplätzen. Er wandte sich gegen die "Beruhigungspille", welche die Bundesregierung und die anderen Ratsmitglieder mit der Anforderung eines -- allerdings nicht näher definierten -- "technischen Beitrags" für die Patentierung von Programmzeilen verteilen. Weiter wetterte er gegen das Argument der Befürworter der Ratslinie, wonach mit der Richtlinie die Rechtsprechung an die "gängige Praxis" angepasst werde. Dabei handle es sich nämlich um die Vorgaben des Europäischen Patentamtes, auf deren Basis bereits 30.000 Softwarepatente "gegen die bestehenden Gesetze" erteilt worden seien. Dies sei in etwa so, zog Hillbrecht einen Vergleich, "als ob man Überfälle legalisiert, weil es in letzter Zeit so viele Bankräuber gibt".

Es sei ein "Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet das Justizministerium so etwas gutheißt und fördert", sagte der Firmengründer. Er könne nach einer Verabschiedung der Richtlinie in der Ratsversion "den Laden dicht machen", denn weder könne er sich den kostspieligen Aufbau eines Patentportfolios, noch die zu erwartenden Klagen wegen möglicher Rechtsverletzungen und die Bildung von Rücklagen für derlei Fälle leisten. Er appellierte an die Gesetzgeber: "Setzen Sie sich endlich an eine ordentliche Richtlinie!" Ferner forderte Hillbrecht die nach wie vor ausstehende Auswertung der umstrittenen Softwarepatentumfrage des Bundeswirtschaftsministeriums.

Für Aufregung sorgt derweil auch ein dänischer Medienbericht, dem zufolge Microsoft sein Navision-Entwicklungszentrum aus Dänemark abziehen und in die USA verlegen wolle. Für Thomas Adelskov, IT-Sprecher der dänischen Sozialdemokraten, ist das ein klarer Fall von "Erpressung". Einem solchen "Diktat" dürfe die dänische Technologiepolitik nicht unterworfen werden. Die IT-Gewerkschaft Prosa zeigt sich ebenfalls entsetzt: Die Maske des "Philanthropen" sei bei Gates nun abgefallen. Florian Müller, Leiter der Kampagne NoSoftwarePatents.com, hat zudem einen offenen Brief an die Navision-Mitarbeiter gerichtet. Er spricht den Angestellten sein Beileid dafür aus, dass Gates ihre Arbeitsplätze als "Verhandlungsmünze" in der andauernden Lobbyschlacht um den Monopolschutz für Computerprogramme missbraucht habe.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)