Untertitel nur für Hörbehinderte

Forscher bei Sony in Großbritannien haben eine Technik entwickelt, die Kinos barrierefreier machen könnte.

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Forscher bei Sony in Großbritannien haben eine Technik entwickelt, die Kinos barrierefreier machen könnte.

Gehörlose Menschen können Filme normalerweise nur zuhause auf DVD oder Blu-ray richtig genießen. Der Grund: Die für sie so wichtige Untertitelung, die Geräusche oder Dialoge, die sie aufgrund ihrer Behinderung nicht verstehen können, in Textform sichtbar macht, wird in den Lichtspielhäusern noch viel zu selten angeboten.

Das dürfte sich auch nicht so schnell ändern: Hörende Kinogänger empfinden die Einblendschrift nicht selten als störend, schließlich benötigen sie sie praktisch gesehen auch nicht. Die Betreiber von Kinos setzen die Untertitelung deshalb in Ländern wie Deutschland, Amerika oder Großbritannien meistens nur bei "Original mit Untertiteln"-Streifen (OmU) – also ausländischen Filmen in Originalsprache – ein oder liefern sie nur bei einigen wenigen Vorstellungen mit, die dann auch noch zu ungünstigen Zeiten stattfinden.

Entwickler im Labor der britischen Tochter des japanischen Elektronikkonzerns Sony wollen das Problem nun mit einem Gerät lösen, das nur Hörbehinderten die gewünschten Untertitel anzeigt. Die Idee: Jeder Film soll künftig stets mit Umschreibungen ausgespielt werden, die aber Hörende nicht stören. Einblendungen erfolgen dabei nur für individuelle Personen und nicht direkt auf der Leinwand.

Technisch umgesetzt wird das Verfahren mit einer Spezialbrille, die an der Kinokasse ausgeliehen werden kann. Das Gerät projiziert die Schrift auf eine ansonsten durchsichtige Glasfläche, durch die der Nutzer schaut. Für den Zuseher wirkt es, als befänden sich die Untertitel etwa auf Höhe der Leinwand, das Auge muss also nicht neu fokussieren. Das Signal für die Brille kommt wiederum aus dem Vorführraum, wo ein Computer den Text an jeden einzelnen Empfänger sendet.

Die Idee erinnert an Entwicklungen aus dem Bereich der erweiterten Realität (Augmented Reality, AR). Dabei nimmt die Kamera eines Smartphones oder Tablets die Umgebung auf und stellt diese dann auf dem Bildschirm dar. Spezielle Algorithmen erlauben es dabei, passende Zusatzinformationen einzublenden. Für die Untertitelung von Kinofilmen eignet sich dieser Ansatz allerdings nicht, wäre es doch schrecklich unbequem, einen Film durch sein Smartphone oder Tablet betrachten zu müssen. Brillen mit Einblendmöglichkeit, die mancher Forscher sowieso bereits als AR-Werkzeug der Zukunft ausgemacht hat, sind hier viel bequemer. Bei Sonys Untertitellösung muss dabei nicht einmal ein "echter" Vollfarbbildschirm her, es reicht aus, Schrift in einer Farbe zu projizieren.

Sony will sein Verfahren bereits im nächsten Jahr im Live-Betrieb in britischen Kinos testen, aus Amerika gibt es ebenfalls Nachfrage. "In den USA wurde die Brille in Testphasen bereits überaus positiv aufgenommen", sagte Christian Vogler, Experte für Gehörlosentechnik an der Washingtoner Gallaudet University gegenüber dem Fachdienst "Innovationsreport". Die Voraussetzungen für die Brille – digitale Projektion und Untertitel-Ausstattung der Filme durch den Verleiher – seien im US-Kino ohnehin mittlerweile Standard. Als besonders vorteilhaft erweise sich die Tatsache, dass Menschen, die die Untertitel nicht benötigen, von der Technik nicht gestört würden.

In Deutschland existiert allerdings nach wie vor das Problem, dass nicht von allen Filmen auch Untertitel vorliegen. Bei der Filmförderungsanstalt (FFA) erwägt man deshalb, Förderungen künftig mit einer Verpflichtung zu verknüpfen, neue Streifen auch gleich barrierefrei anzubieten.

Untertitel helfen dabei nicht nur Hörbehinderten – sie können auch als Grundlage für die sogenannte Audiodeskription dienen, die sich an blinde Menschen wendet und mittlerweile in Großstädten von einzelnen Kinos angeboten wird. Dabei beschreibt ein Sprecher all das, was neben dem normalen Dialog der Schauspieler geschieht, mit kompakten Worten. Diese zusätzliche Tonspur lässt sich dann über kleine, drahtlose Empfangsgerät abhören. Auch dies dürfte Nichtbehinderte nicht weiter stören, wenn es in jedem Kino angeboten wird. (bsc)