WSIS: Internet-Dissidenten hoffen auf Unterstützung

Am Rande der Vorbereitungskonferenz zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft haben heute Blogger und Journalisten aus Tunesien, China, dem Iran und von den Malediven ihre Erfahrungen mit staatlicher Repression geschildert.

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Von
  • Monika Ermert

Bei der Eröffnung der WSIS-Vorbereitungskonferenz heute im Palais des Nation der UN in Genf hat der Schweizer Vizepräsident Moritz Leuenberger noch einmal an das Ziel des Weltgipfels der Informationsgesellschaft (WSIS) erinnert: Meinungs- und Informationsfreiheit. Dass die Realität anders aussieht, haben heute in einem Genfer Internetcafé Blogger und Journalisten aus Tunesien, China, dem Iran und von den Malediven berichtet.

"Die Repression in China hat im vergangenen Jahr noch zugenommen. Verschwanden unliebsame Inhalte von Foren früher innerhalb von sechs Stunden, dauert es heute manchmal noch zwei Minuten", sagte der chinesische Dissident Cai Chongguo. Die Organisation Human Rights in China muss in immer kürzeren Abständen die Adressen ihrer Proxyserver umstellen, über die chinesische Surfer unzensierten Web-Zugang haben. Automatisiert hat dies der Iraner Jay Bakht für seinen Proxyserver. Bakht berichtete von inzwischen 30.000 Bloggern im Iran, die Gefängnisstrafen schon dann riskieren, wenn sie in ihren persönlich gehaltenen Blogs die Verhaftung anderer Blogger beklagen. Ibrahim Lutfy, einer der Autoren des alternativen Informationsbulletins Sanhaanu auf den Malediven, entkam nur auf Druck der Schweizer Regierung einer lebenslangen Haftstrafe. Er hofft, dass auch seine Sanhaanu-Mitstreiter auf internationalen Druck freigelassen werden.

Sie alle treffen auf Initiative von Reporter ohne Grenzen (ROG) morgen mit den Vertretern verschiedener WSIS-Regierungsdelegationen zusammen. "Wir wollen den Diplomaten damit noch einmal verdeutlichen, wie Zensur und die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Alltag aussieht", sagte George Gordon-Lennox, Generalsekretär der Schweizer ROG-Sektion.

Besondere Aufmerksamkeit gilt Tunesien, Gastgeberland des zweiten Weltgipfels der Informationsgesellschaft. Dort kann Zouhair Yahyaoui keinen lokalen Provider für seinen Blog finden. Nachdem er wegen einer "Beleidigung" von Präsident Ben Ali für ein Jahr ins Gefängnis gehen musste, wollte niemand mehr seine Seite hosten. Kein Wunder, denn der tunesische Telecom-Markt gehört praktisch zu hundert Prozent der Familie von Ben Ali. Tunezine.com wird nun in Frankreich gehostet.

Yahyaoui sei allein allein durch seinen Auftritt in Genf gefährdet, erneut in in Tunesien verhaftet zu werden, sagte Gordon-Lennox. Was schon schlichte tunesische Internet-Nutzer riskieren, zeigt der Fall der Zarzis-Jugendlichen, die zu 13 Jahren Haft verurteilt wurden, weil ihnen eine Nähe zur Terrororganisation Al Qaida vorgeworfen wurde. Am Rande der WSIS-Sitzung appellierte Balkis Mechri, die Mutter eines der Verurteilten, dringend etwas für die jungen Männer zu tun. Ihnen werde nun der Besuch der Eltern und die Übergabe von Nahrungsmitteln untersagt. "Wenn nicht bald etwas getan wird, ist mein Sohn tot", sagte Mechri.

Der tunesische Autor und Regimekritiker Mohamed Talbi meinte, würden Botschaften und Kulturinstitutionen ihre Räume für die Dissidenten öffnen, sei das schon ein großer Schritt. Auch die WSIS kann leicht nachbessern: Bis jetzt wurde Human Rights in China auf Druck der chinesischen Regierung die Akkreditierung versagt. Heute wurden die Publikationen der Organisation am Tor zum Eingang des Palais de Nations einbehalten. Erst viel Druck bei einer Sitzung des Human Rights Caucus der Zivilgesellschaft im Palais sorgte dafür, dass man die Zeitschriften doch noch zuließ. Genau auf diesen Druck hoffen verfolgte Blogger und Netznutzer in Diktaturen. (Monika Ermert) / (anw)