BAG: Prüfpflicht gilt für alle Unternehmen

Arbeitgeber müssen bei der Stellenbesetzung schwerbehinderte Menschen berücksichtigen. Wird das versäumt, handelt es sich um Diskriminierung.

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Von
  • Marzena Sicking

Vor allem, wenn es um öffentliche Institutionen geht, liest man in Stellenausschreibungen immer wieder den Hinweis, dass Menschen mit einer Behinderung bei der Besetzung der ausgeschriebenen Position bevorzugt werden. Tatsächlich sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, bei der Besetzung freier Arbeitsplätze zu prüfen, ob schwerbehinderte Arbeitssuchende für diesen Posten in Frage kommen. Um dieser Prüfungspflicht nachzukommen, sollten sie sich entsprechend frühzeitig mit dem Anliegen bei der Agentur für Arbeit melden oder einen entsprechenden Nachweis der Prüfung vorlegen können.

Was viele Unternehmer nicht wissen: Diese gesetzliche Pflicht (§ 81 Abs. 1 SGB IX ) betrifft alle Arbeitgeber, nicht nur die des öffentlichen Dienstes. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, muss damit rechnen, dass sich ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber ihm eine Benachteiligung wegen der Behinderung – also Diskriminierung vorwirft. So geschehen auch in dem Fall, der jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt wurde.

Der Kläger ist zu 60 Prozent schwerbehindert. Er hat eine kaufmännische Berufsausbildung, ein Fachhochschulstudium der Betriebswirtschaft und die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst absolviert. Der Mann bewarb sich bei der Gemeinde auf eine Mutterschaftsvertretung. Diese umfasste Aufgaben im Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt. Er bekam den Job nicht und verklagte die Gemeinde auf Entschädigung: Er fühlte sich wegen seiner Behinderung benachteiligt (§ 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes).

Tatsächlich hatte die Gemeinde es versäumt, vor der Entscheidung für einen Kandidaten nachweislich zu prüfen, ob die freie Stelle hätte mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Auch hatte man diesbezüglich keinen Kontakt zur Agentur für Arbeit aufgenommen. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, doch der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts gab dem Mann im Grundsatz Recht.

Die Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen bestehe grundsätzlich immer und für alle Arbeitgeber. Und zwar unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Verletzt ein Arbeitgeber diese Prüfpflicht, so stelle dies tatsächlich ein Indiz dafür dar, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat. Schließlich habe er seine Förderungspflichten nicht beachtet. Eine solche Vermutung konnte der Arbeitgeber auch nicht widerlegen.

Die Klage wurde an das Landesarbeitsgericht zurückgeweisen, das jetzt über die Höhe der Entschädigung zu entscheiden hat (Urteil vom 13. Oktober 2011, Az.: 8 AZR 608/10). (gs)