Bundestag will den Bundestrojaner behalten

Das Parlament hat mit den Stimmen von Schwarz-Gelb und der SPD einen Antrag der Linken abgelehnt, mit dem die Befugnis des Bundeskriminalamts zu heimlichen Online-Durchsuchungen aufgehoben werden sollte.

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Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen von Schwarz-Gelb und der SPD einen Antrag (PDF-Datei) der Linken abgelehnt, mit dem die Befugnis des Bundeskriminalamts (BKA) zu heimlichen Online-Durchsuchungen aufgehoben werden sollte. Die Grünen stimmten dafür. Die Linken argumentieren, dass sich die umstrittene Norm im BKA-Gesetz "praktisch als überflüssig erwiesen" habe. Clemens Binninger sprach im Namen der CDU/CSU-Fraktion von einer "absurden Forderung", die mit keinem Wort auf die ernste terroristische Bedrohungslage hierzulande eingehe.

Zur Untermauerung der Gefahr verwies der CDU-Politiker auf eine Terror-Drohung gegen den Reichstag, einen Anschlag am Frankfurter Flughafen sowie die Enttarnung der "Düsseldorfer Zelle". Es sei bekannt, dass Tatverdächtigte im Bereich des Terrorismus immer konspirativer vorgingen und verschlüsselt kommunizierten, erklärte Binninger. Der verdeckte Zugriff auf Festplatten und andere IT-Systeme sei daher unverzichtbar. Die Kompetenz für das BKA berücksichtige zudem die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster unterstrich ebenfalls, dass die Überwachungswanze lediglich zur Abwehr terroristischer Gefahren unter konkreten technischen Bedingungen auf Rechnern Verdächtiger installiert werden dürfte. Dazu kämen Protokollpflichten für die Ermittler. Die wahren Bedrohungen für die Privatsphäre im Netz seien Passwortklau, Betrug mit Millionenschäden und Cyberstalking, fügte er an. Derlei Computerkriminalität müsse der Staat mit zeitgemäßen Mitteln wie der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), der Online-Durchsuchung und der Vorratsdatenspeicherung begegnen. Es müsse geprüft werden, ob die Hürden für den Einsatz des Bundestrojaners nicht zu hoch seien und das Instrument nicht auch zur Kriminalitätsbekämpfung in der Strafprozessordnung verankert werden könne.

Die Sicherheitsbehörden gingen sehr sorgfältig mit ihrer Kompetenz um, betonte Gabriele Fograscher von der SPD. Die große Koalition habe damit eine "Lücke in unserer Sicherheitsarchitektur geschlossen". Der Antrag der Linken sei daher unverantwortlich. Die Innenexpertin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, erinnerte dagegen an ihre Einschätzung aus Zeiten der Opposition, wonach die Online-Durchsuchung ein Novum darstelle, "auf das der Rechtsstaat besser verzichten würde". Eine Mehrheit auch in dieser Wahlperiode wolle dies aber nicht ändern. Schwarz-Gelb habe sich daher darauf verständigt, den Schutz den Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung im BKA-Gesetz zu verbessern. Das sei zwar nicht "die reine Lehre, aber man muss Kompromisse machen".

Jan Korte von den Linken warf den Liberalen vor, "Flächenbrände auf allen Ebenen" anzurichten. Die Bundesregierung habe mit ihrer Geheimniskrämerei rund um den Bundestrojaner die Öffentlichkeit getäuscht. Die Maßnahme sei "unnütz, unverhältnismäßig und unangemessen für einen Rechtsstaat". Die Aktualität der Forderung seiner Fraktion habe der Chaos Computer Club (CCC) mit seinen Untersuchungen alter und neuer Staatstrojaner belegt. Bei den Hackern, anderen Bürgerrechtsorganisationen, die zum Verzicht auf die Quellen-TKÜ und heimliche Online-Durchsuchungen aufriefen, und den Linken handele es sich daher um die "wahren Verfassungsschützer". Hintertüren zum Durchforsten von Rechner im Rahmen von Abhörmaßnahmen der Internet-Telefonie müssten geschlossen werden.

Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, gab zu, dass unter Rot-Grün Online-Durchsuchungen ohne rechtliche Grundlage durchgeführt worden seien. Die Erkenntnis über die Brisanz der Maßnahme sei erst durch ein Veto eines Richters am Bundesgerichtshof "heimlich durch die Hintertür ins Parlament" gekommen. Dieses Jahr habe das BKA das Instrument bisher einmal zur Aufdeckung der Düsseldorfer Zelle genutzt. Was dabei herausgekommen sei, "wissen wir bis heute nicht". Die Grünen teilten zwar die Gefährdungseinschätzung der Regierung. Sie folgerten daraus aber nicht, "dass der Staat alles darf". Das letzte Wort werde Karlsruhe aufgrund der Verfassungsbeschwerden gegen das BKA-Gesetz haben.

(vbr)