Chancen für digitalen Musikmarkt in China unterschiedlich bewertet

Während der Betreiber des chinesischen Portals Top100 auf der MIDEM in Cannes erste Pläne vorstellte, verwies der Manager von Sina.cn auf die offene Urheberrechtsfrage.

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Von
  • Monika Ermert

Für den Manager von Chinas führendem Internetportal Sina, Mont Gu, ist digitaler Musikvertrieb derzeit kein Thema. Die Chancen für digitale Musikanbieter in China stünden schlecht, solange das Urheberrechtsproblem nicht gelöst sei. Die Frage, welchen Weg Sina mit immerhin 130 Millionen registrierten Nutzern im Musikbereich beschreiten würde, beantwortete Gu im Gespräch mit heise online entsprechend deutlich: "Keinen. Ich würde im Moment gar keinen digitalen Musikprovider in China starten."

Gary Ge Chen sieht das offenbar anders. Der Geschäftsführer von Orca Digital und top100.cn stellte auf der internationalen Messe der Musikindustrie MIDEM in Cannes seine Pläne für einen digitalen Musikdienst vor. "Wir glauben, dass der Internetmusikmarkt in China sehr stark wachsen wird." Im zweiten Quartal werde Orca als kleiner Partner mehrerer großer Portale, Suchmaschinen und der vier großen Telecomunternehmen daher ein Musikangebot starten, bei dem nicht nur die in China so populären Klingeltöne heruntergeladen werden können, sondern ganze Titel. Über die genaue Zusammensetzung des Konsortiums schwieg sich Chen aus. Der freie, über Anzeigen finanzierte Download einzelner Titel soll neben dem kostenpflichtigen Download von Tracks oder Videos stehen.

Durch Werbung finanzierte Musikstreams hatten auch EMI und der Suchmaschinenanbieter Baidu angekündigt. "Ein werbefinanziertes Modell gibt der digitale Werbemarkt meiner Meinung nach noch nicht her", meint dagegen Gu. Natürlich setze auch Sina auf das Wachstum gerade dieses Marktes. Aktuell gingen allerdings nur fünf Prozent vom Werbekuchen in den digitalen Bereich. Der Verkauf einzelner Tracks andererseits sei für chinesische Nutzer wohl eher zu teuer. "Die großen Labels werden kaum auf Preise einsteigen, die so niedrig sind, dass es für chinesische Nutzer interessant wird."

Die Möglichkeiten des Web 2.0 betrachtet Gu skeptisch, auch hier fehle es noch an einem klaren Geschäftsmodell. "Man könnte sich vorstellen, dass der Portalbetreiber auf einem Blog wirbt, und die Einkünfte geteilt werden," überlegt er. In China sei man durchaus für pragmatische Lösungen. Von solchen profitiert Sina selbst übrigens auch. Das Portal aggegriert auf der eigenen Webseite Nachrichten von praktisch allen wichtigen Medien in der Volksrepublik China. Lediglich beim politisch nicht allzu sensiblen Sport und im Unterhaltungsbereich biete Sina auch eigene Inhalte. Für die politische Berichterstattung der großen Tageszeitungen zahle er kaum etwas, so Gu. Kürzlich hätten sich die staatlichen Medien zusammengetan, um mehr Geld von Sina zu verlangen. Doch hätten gerade die lautesten Kritiker bereits wieder unterschrieben. Immerhin sorge Sina ja für eine enorme Verbreitung, sagte Gu. (Monika Ermert) / (vbr)