Das Handy hebt ab

Zwar wird das Telefonieren mit dem Handy bald auch im Flieger möglich, deutsche Fluggesellschaften stehen dem vermeintlichen Trend wegen Bedenken vieler Fluggäste aber bisher skeptisch gegenüber.

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Von
  • Tobias Schormann
  • dpa

Auch über den Wolken immer erreichbar sein: Dieser Traum vieler Geschäftsleute könnte bald Realität werden. Mehrere Fluggesellschaften wollen Handytelefonate während des Fluges erlauben. Für einen Großteil der Fluggäste klingt das jedoch eher wie ein Albtraum: Vor allem Urlauber fürchten "Telefonterror" während der Reise. Deutsche Fluggesellschaften stehen dem vermeintlichen Trend deshalb bisher skeptisch gegenüber, ergab eine Umfrage des dpa/gms-Themendienstes. Zudem verhindern rechtliche Regelungen noch, dass auch in deutschen Fliegern in Kürze ein Klingelton-Konzert ertönt.

"Ob sich das Telefonieren mit dem Handy im Flugzeug durchsetzen wird, ist bislang noch fraglich", sagt Martin Gaebges, Generalsekretär des Verbandes BARIG in Frankfurt, in dem die ausländischen Fluggesellschaften in Deutschland organisiert sind. "Für die einen ist die ständige Erreichbarkeit ein Segen, für die anderen ein Fluch." Daher bleibe abzuwarten, ob die angekündigte Technik neue Maßstäbe setzen wird. Falls sich die Gäste jedoch durch das Telefonieren gestört fühlen, könnte der technische Vorstoß für die Anbieter auch als Eigentor enden.

Als erste will die arabische Fluggesellschaft Emirates die Handynutzung an Bord erlauben: Ab Februar sollen die ersten Fluggäste den Service in Anspruch nehmen können. Ende Dezember seien einige Maschinen mit der erforderlichen Technologie ausgestattet worden. Nun soll die gesamte Flotte nach und nach umgerüstet werden. Ähnliches hat auch der irische Billigflieger Ryanair vor: Laut Sprecherin Sonja Sahmer sollen bis Mitte des Jahres 50 Flieger mit der neuen Technik einsatzbereit sein. Dabei soll neben den Handytelefonaten auch das Empfangen und Versenden von SMS und E-Mail möglich sein.

Auch bei anderen Fluggesellschaften laufen die ersten Tests. So hat die portugiesische TAP im Dezember ein Pilotprojekt an Bord eines Airbus A321 gestartet. Air France plant von März bis September Tests mit einem umgerüsteten Airbus A318, auf deren Route voraussichtlich auch Deutschland liegen wird. Die endgültige Entscheidung über die Technik werde erst danach gefällt, sagt Sprecherin Sonja Först. Angst um ihre Sicherheit müssten sich Passagiere wegen der neuen Technik nicht machen, versichert Emirates-Sprecher Markus Schlichenmaier. Zwar hieß es bislang immer, die Handystrahlen könnten die Bordelektronik stören. Bei den neuen Funkanlagen an Bord wird die Handystrahlung allerdings auf ein Minimum reduziert, da diese Anlagen die Sendeleistung zum Großteil übernehmen.

Deutsche Fluggesellschaften sehen dem vermeintlichen Trend eher skeptisch entgegen. Das Flugzeug sei bislang der letzte Ort, an dem man vor Handygeklingel sicher sei, sagt Pierre de la Motte von LTU in Düsseldorf. Umfragen unter rund 3000 Passagieren hätten ergeben, dass die Mehrzahl ein derartiges Angebot ablehnt, sagt Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty in Frankfurt. Auch Claudia Löffler von Air Berlin winkt ab: "Wir wollen das unseren Gästen nicht antun." Die meisten seien froh, wenn sie im Flugzeug endlich einmal ihre Ruhe hätten. "Das ist wie im Restaurant: Wenn dort am Nebentisch jemand telefoniert, stört das einfach." Besonders Urlauber fürchteten sich davor, auf dem Weg in die Ferien von Dauertelefonaten im Flugzeug belästigt zu werden, sagt auch Condor-Sprecherin Nina Dumbert in Oberursel (Hessen). Germanwings und TUIfly planen ebenfalls, das Handyverbot aufrechtzuerhalten.

Unterstützung erhalten die Kritiker auch von einigen ausländischen Fluglinien. "Wir beschäftigen uns mit der Idee schon seit zwei Jahren – bisher ist aber kein Bedarf dafür erkennbar", sagt Peter Tomasch von Singapore Airlines. Selbst fleißige Geschäftsleute würden die Flugzeit lieber als Ruhepause nutzen und wollten deshalb an Bord nicht ständig erreichbar sein. "Gerade auf Langstreckenflügen über Nacht fürchten viele, durch dauerndes Klingeln geweckt zu werden." Auch bei der US-amerikanischen United Airlines hätten Befragungen gezeigt, dass der Großteil der Fluggäste solche Angebote ablehnt, sagt Sprecher Werner Claasen. Für dringende Telefonate stehen Geschäftsleuten zudem jetzt schon häufig Satellitentelefone an Bord zur Verfügung. "Bisher wird das aber kaum genutzt", sagt BARIG-Sprecher Gaebges. Allerdings sind Gespräche per Satellitentelefon auch wesentlich teurer als Handygespräche – diese sollen sich auch an Bord von Flugzeugen an den internationalen Gebühren für Auslandsgespräche orientieren.

Manche Fluglinien überlegen auch, den eventuellen Telefonbetrieb an Bord einzuschränken, damit die Reisenden sich nicht gestört fühlen. British Airways etwa plant, Gästen lediglich den SMS-Versand zu erlauben. Auch bei Emirates gibt es Grenzen für die mobile Kommunikation: So können immer nur fünf bis sechs Personen zugleich telefonieren. Auch lässt sich die Anlage zum Beispiel über Nacht abschalten, damit die Telefonate den Gästen nicht den Schlaf rauben. Passagiere in deutschen Fliegern müssen sich allerdings in allzu naher Zukunft noch nicht vor Dauertelefonaten an Bord fürchten: "In Deutschland ist der Handybetrieb während des Fluges noch verboten", sagt Sven Ulbrich vom Bundesverkehrsministerium in Berlin. Eine Änderung der betreffenden Verordnung werde derzeit zwar geprüft. Zumindest im kommenden Halbjahr sei damit aber nicht zu rechnen. (Tobias Schormann, dpa) / (jk)