Grünes Licht für neue Endlagersuche

Die Bundesregierung und die Bundesländer haben sich nach übereinstimmenden Medienberichten prinzipiell geeinigt, ergebnisoffen nach einem Standort für ein Atom-Endlager zu suchen.

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Die Bundesregierung und die Bundesländer haben sich nach übereinstimmenden Medienberichten prinzipiell geeinigt, ergebnisoffen nach einem Standort für ein Atom-Endlager zu suchen. Ein Gesetz, das die Endlagersuche regelt, soll 2012 beschlossen werden.

Damit ist - unter dem Druck einer entsprechenden EU-Richtlinie - wieder Bewegung in eine verfahrene Situation gekommen: 2000 erließ der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zwar einen zehnjährigen Erkundungsstopp für den Salzstock Gorleben, der seit 1979 auf seine Eignung als Atom-Endlager untersucht wird, um die Suche nach Alternativen zu forcieren. Die unionsregierten Länder verhinderten jedoch im Gegenzug, dass alternative Standorte untersucht werden konnten.

Trittins Nachfolger Sigmar Gabriel (SPD) versuchte im Sommer 2008 wieder Bewegung in die Debatte zu bringen, in dem er die Sicherheitskriterien für atomare Endlager überarbeiten ließ: Der Müll soll nach den im September 2010 von Umweltminister Norbert Röttgen festgelegten Kriterien für mindestens 500 Jahre prinzipiell rückholbar eingelagert werden. Zudem muss der Betreiber eines Endlagers nachweisen, dass der strahlende Müll eine Million Jahre von der Biosphäre isoliert bleibt. Zuvor waren es nur 10.000 Jahre.

Die Verschärfung der Sicherheitskriterien dürfte wesentlich mit dazu beigetragen haben, dass nun auch andere Standorten untersucht werden sollen. Die „viskoplastischen Eigenschaften“ von Salz – unter hohem Druck kriecht das Material – führen nämlich zum Verschluss von Hohlräumen. Bisher wurde das als Vorteil für Salz-Standorte wie Gorleben gesehen. Doch wenn der radioaktive Abfall zugänglich bleiben muss, wäre genau dies von Nachteil. Bei einem Vorhersagezeitraum von einer Million Jahren erscheinen zudem bekannte Bedenken gegen Gorleben wieder in einem neuen Licht – etwa die schon bisher heftig debattierten Auswirkungen der „Gorlebener Rinne“, eine bis zu 320 Meter tiefe eiszeitliche Schmelzwasserrinne aus grundwasserführendem Material, die genau über dem unterirdischen Hut des Salzstocks liegt.

Prinzipiell gibt es drei mögliche Wirtsgesteine, die für ein tiefes geologisches Endlager infrage kommen - jeweils mit spezifischen Vor- und Nachteilen:

  • Salz ist praktisch undurchlässig gegenüber Gasen und Flüssigkeiten. Die sogenannte Permeabilität, die den Zusammenhang zwischen transportiertem Wasserstrom und Druckgefälle im Untergrund beschreibt, liegt bei Steinsalz zwischen 10-20 und 10-22 m2. Jedenfalls solange das Salz nicht – wie im Versuchs-Endlager Asse II – durch einen Grundwasser-Einbruch weggespült wird. Zudem besitzt Salz eine hohe Temperaturleitfähigkeit, wodurch die Wärme des hochradioaktiven Abfalls schnell abgeleitet werden kann.
  • Ton und Tongesteine haben gegenüber Salz zwar eine um mehrere Zehnerpotenzen größere Durchlässigkeit für Grundwasser (10–17 bis 10–19 m2), aber auch dieser Wert liegt noch im grünen Bereich. Allerdings müssen die Stollen aufwendig ausgebaut werden, damit sie nicht einstürzen. Zudem ist Ton ein schlechter Wärmeleiter.
  • Kristalline Gesteine wie Granit oder Gneis wiederum können mit einer hohen Festigkeit und Hohlraumstabilität sowie geringer Temperaturempfindlichkeit punkten. Allerdings sind sie im geklüfteten Bereich um mehrere Größenordnungen durchlässiger für Wasser als Ton oder Salz (im geklüfteten Bereich bei 10–3 m2).

Der Blick auf andere Länder lässt keine bevorzugte geologische Lösung erkennen: Frankreich und die Schweiz etwa setzen auf Tonformationen. Die Planungen in Schweden und Finnland basieren auf der Einlagerung in Granit, der von den deutschen Experten als zu klüftig und wasserführend abgelehnt wird. Dort verlässt man sich allerdings nicht allein auf die Geologie, sondern auf einen Abfallbehälter mit einem Kupfermantel, der von Bentonit – einem Tonmaterial – umgeben ist und so stabilisiert wird. Am weitesten sind die Pläne derzeit in Finnland gediehen. Das Endlager Onkalo soll 2020 in Betrieb gehen.

(wst)