Niederländisches Parlament gegen EU-weiten strafrechtlichen Schutz geistigen Eigentums

Die holländischen Volksvertreter haben der EU-Kommission die Kompetenz abgesprochen, über eine Richtlinie strafrechtliche Sanktionen zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte zu erlassen.

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Die holländischen Volksvertreter haben der EU-Kommission die Befugnis abgesprochen, über eine Richtlinie strafrechtliche Sanktionen zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte zu erlassen. Beide Kammern des niederländischen Parlaments waren sich am Freitag einig, dass die Europäische Gemeinschaft "keine Kompetenzen erhalten hat, um die Ziele der geplanten gesetzgeberischen Handlung zu erreichen". Zuvor hatten die Abgeordneten den heftig umstrittenen Vorstoß aus Brüssel kurz beraten. Allerdings nur, um festzustellen, dass die für den Erlass einer Richtlinie erforderlichen Prinzipien der "Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit" im Fall der Direktive "über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung des geistigen Eigentums" nicht gegeben sei.

Auch der Neuentwurf der vorgesehenen Gesetzesmaßnahme droht damit in unsicheres Fahrwasser zu geraten. Die EU-Kommission will die Mitgliedsstaaten verpflichten, "jedwede vorsätzliche Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums strafrechtlich zu ahnden, sofern die Verletzung in gewerbsmäßigem Umfang begangen wird". Die Maßnahmen sollen nicht nur fürs Urheberrecht, sondern auch fürs Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrecht sowie das Halbleiterschutzgesetz gelten. Der Entwurf aus Brüssel gewährt der Polizei weitgehende Befugnisse zu Hausdurchsuchungen und zur Konfiszierung von Beweismaterial. Darüber hinaus sollen die von illegalen Kopien und Fälschungen bedrohten Industrien gemeinsame Ermittlungsteams mit Strafverfolgern bilden dürfen. Überführte Übeltäter müssen mit Geldbußen zwischen 100.000 und 300.000 Euro oder mit bis zu vier Jahren Gefängnis rechnen.

Bei ihren Plänen musste die Kommission schon einmal zurückrudern. Die Behörde hatte in ihrem ersten Vorstoß 2005 ein zweigleisiges Verfahren über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des EU-Rates und eine begleitende Richtlinie gewählt. Im Nachhinein hatte der Europäische Gerichtshof aber geurteilt, dass die zur tatsächlichen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts erforderlichen strafrechtlichen Vorschriften in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen und nicht über einen Rahmenbeschluss der Mitgliedsstaaten festgelegt werden dürfen. Die Kommission hatte daher eine Überarbeitung ihres Vorhabens angekündigt und im April einen abgeänderten Richtlinienvorschlag angenommen, der den Rahmenbeschluss inhaltlich integriert.

"Die Kommission und die Mitgliedsstaaten befinden sich momentan in einem Prozess, in dem sie ihre Kompetenzen festlegen", erläutert Ante Wessels, Analyst beim Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), die Querelen zwischen Den Haag und Brüssel. "Das niederländische Parlament hat in diesem Streit klargemacht: Die Kommission ist zu weit gegangen." Schon zuvor habe der frühere holländische Justizminister Piet Hein Donner zum Ausdruck gebracht, dass er über das Ansinnen der Brüsseler Behörde nicht erfreut sei. Darüber hinaus gerät die Kommission auch immer wieder in Kompetenzauseinandersetzungen mit dem EU-Parlament. Dieses klagte etwa gegen das Abkommen zur Übergabe von Flugpassagierdaten an die USA. Der Europäische Gerichtshof bestätigte daraufhin, dass es der Kommission an den Kompetenzen zum Abschluss der Vereinbarung mangelte. Nichtsdestoweniger hat die Behörde auch hier einen zweiten Anlauf auf neuer Rechtsbasis genommen. Generell kann sich die Kommission gegenwärtig nur auf das Instrument einer Richtlinie stützen, wenn es um eine Frage der Binnenmarktharmonisierung geht.

Die im Raum stehenden strafrechtlichen Regelungen sollen die 2004 verabschiedete, bis zuletzt umkämpfte Richtlinie zur "Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums" im zivilrechtlichen Bereich ergänzen. Dafür gibt es inzwischen einen nicht weniger kontrovers diskutierten Gesetzesvorschlag zur Umsetzung ins nationale Recht vom Bundesjustizministerium. Er sieht unter anderem vor, dass Rechteinhaber erstmals einen Auskunftsanspruch gegenüber Internetprovidern erhalten. Dies würde es Konzernen aus der Musik- und Filmindustrie erleichtern, Nutzerinformationen zu auffällig gewordenen IP-Adressen abzufragen und damit in zivilrechtlichen Verfahren gegen illegales Filesharing vorzugehen. (Stefan Krempl) / (atr)