Rückenwind für Meeresenergie

Nach vielen Jahren des Testens und einigen Rückschlägen scheint jetzt die Zeit reif für die kommerzielle Nutzung von Wellen- und Gezeitenenergie.

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Nach vielen Jahren des Testens und einigen Rückschlägen scheint jetzt die Zeit reif für die kommerzielle Nutzung von Wellen- und Gezeitenenergie. "Ein Drittel des heutigen Strombedarfs in Europa“ könnte mit Hilfe von Wellen- und Gezeitenströmungstechnologie gedeckt werden", sagte Meeresenergieexperte Jochen Bard vom Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES). Am meisten Energie liefern dabei die Wellen – in Europa liegt deren Potenzial bei jährlich 1000 Terrawattstunden und ist damit um ein Zehnfaches höher als das der Gezeitenströmung, berichtet Technology Review in seiner Online-Ausgabe.

Über Jahrzehnte hinweg galt dieses Potenzial zwar als sehr interessant, aber technisch nicht zu beherrschen. Mittlerweile wollen immer mehr Energieversorger und Konzerne davon profitieren – viele konzentrieren sich dabei zunächst allerdings auf die einfach zu beherrschende Gezeitenenergie. So hat Siemens Anfang November angekündigt, seine Beteiligung an Marine Current Turbines (MCT), einem britischen Hersteller von Gezeitenströmungstechnik, auf 45 Prozent zu erhöhen. Erst im Februar war der Konzern mit knapp 10 Prozent bei MCT eingestiegen, da sich das Unternehmen laut Siemens mittlerweile vom Pionier zum Technologieführer gemausert habe.

Mit einem derart finanzstarken Partner hat der MCT nun Rückendeckung für zwei geplante Gezeitenkraftwerke auf Basis der sogenannten SeaGen-Technologie: Hierbei handelt es sich grob vereinfacht um eine "Windturbine unter Wasser", beziehungsweise um eine turmartige Stahlkonstruktion mit Doppelrotor. Die beiden Propeller sitzen auf einem Träger und werden vom Wasserstrom, verursacht durch die Gezeiten, angetrieben.

Bei dem Vorhaben "Kyle Rhea" will MCT SeaGens mit insgesamt 10 MW Leistung in ein strömungsstarkes Gebiet zwischen der Isle of Skye und der Westküste Schottlands platzieren. Im Projekt „The Skerries“ will die Technikschmiede ebenfalls 10 MW vor der Nordwestküste der walisischen Insel Anglesey realisieren. Für beide Projekte hat die britische Liegenschaftsverwaltung "The Crown Estate" – auch zuständig für die Flächenausweisung auf dem Meer – jetzt grünes Licht gegeben, sodass die Projekte voraussichtlich 2014 beziehungsweise 2015 umgesetzt werden können, teilte MCT gegenüber Technology Review mit. Im kommenden Jahr müsse jedoch zunächst die Finanzierung sichergestellt werden. Darüber hinaus hat der Hersteller die Genehmigung erhalten, ein SeaGen-Kraftwerk mit einer Leistung von knapp 100 MW bei Brough Ness an der Südspitze der schottischen Orkney-Inseln zu bauen.

Andere Unternehmen wie die irische OpenHydro sind MCT jedoch bereits auf den Fersen: Mit ihrer Gezeitenströmungsanlage verfolgen sie Pläne in ähnlicher Größenordnung. Die ringförmige Turbine, die das Unternehmen im kanadischen Testfeld in der Bay of Fundy testet, hat inklusive des Fundaments, mit dem sie auf dem Meeresboden fixiert wird, einen Durchmesser von 16 Metern und besteht aus einem Permanentmagnet-Generator mit einem Rotor, der in der Mitte offen ist. Auch OpenHydro plant zurzeit sein erstes großes Gezeitenkraftwerk – und zwar vor der Küste von Paimpol-Bréhat an der Küste der Bretagne. Gemeinsam mit dem französischen Energiekonzern EDF will der Hersteller hier im kommenden Jahr vier seiner Turbinen mit einer Leistung von jeweils 2 MW errichten.

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(wst)