SPD bleibt beim Ja zur Vorratsdatenspeicherung

Nach einigem Hin und Her haben die Sozialdemokraten einen Antrag zur verdachtsunabhängigen Protokollierung von Nutzerspuren beschlossen. Vorratsdatenspeicherung soll mit Einschränkungen möglich werden.

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Nach einigem Hin und Her hat die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Berlin mit knapper Mehrheit einen Antrag (PDF-Datei) zur verdachtsunabhängigen Protokollierung von Nutzerspuren beschlossen. Bei der Vorratsdatenspeicherung handle es sich zwar um einen gravierenden Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Nutzer, hält das Papier fest. Jedoch sei das als Alternative gehandelte Quick-Freeze-Verfahren unnütz, gewährleiste keine effektive Strafverfolgung und verletze ferner rechtsstaatliche Grundsätze. Bei dem vor allem von der FDP hochgehaltenen Quick Freeze sollen Provider Verbindungs- und Standortdaten bei einem konkreten Verdacht "einfrieren". Die SPD-Bundestagsfraktion wird in dem Antrag aufgefordert, soll nun anhand der festgelegten Eckpunkte "ein Gesetzgebungsvorhaben zu erarbeiten.

Die Sozialdemokraten fordern die Bundesregierung auf, einen Zeitplan zur Umsetzung der EU-Vorgaben zur anlasslosen Protokollierung der Nutzerspuren vorzulegen. Dabei müssten die Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts und vor allem die Datenschutz-Standards aus Karlsruhe beachtet werden. Die bei den Providern vorgehaltenen Informationen dürften etwa nur abgerufen werden bei einem Verdacht auf schwerste Straftaten gegen Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung. Ein Zugriff für zivilrechtliche Zwecke etwa zur Verfolgung von Urheberrechtsverstößen müsse "rechtssicher" ausgeschlossen werden. Zudem dürften die Vorratsdaten nicht für das Erstellen von Bewegungsprofilen herangezogen werden.

Einsetzen will sich die SPD für eine Revision der entsprechenden EU-Richtlinie, um die Speicherfristen deutlich unter die derzeitige Mindestdauer von sechs Monaten zu drücken. Eine Aufbewahrungszeit der Telefon- und Internetdaten von drei Monaten sei in der Regel ausreichend. Dies habe die Ermittlungspraxis ergeben. Ferner seien Speicherdauer und Zugriffsbedingungen anhand der vorgehaltenen Datenarten hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität unterschiedlich festzulegen. Ein Dorn im Auge ist den Sozialdemokraten die Tatsache, dass einzelne Provider die sensiblen Informationen schon jetzt bis zu 180 Tage für technische Zwecke oder zur Abrechnung aufbewahren. Auch dafür müsse ein klarer Rahmen gesetzt werden.

Generell sollen ein "qualifizierter Richtervorbehalt" und eine "revisionssichere Protokollierung" von Datenabrufen Missbrauch verhindern. Betroffenen sei über einen Zugriff auf ihre Informationen im Nachhinein Auskunft zu erteilen, heißt es in dem Beschluss weiter. Für die Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Abgeordneten, Anwälten, Ärzten, Seelsorgern oder Journalisten müsse ein absolutes Verwertungsverbot gelten. Grob fahrlässige Verstöße gegen die Regeln sollen strenge Sanktionen nach sich ziehen.

Die Initiative zur Vorratsdatenspeicherung war bis zum Schluss heftig umkämpft. Vor allem Vertreter der Jusos argumentierten in der mehrfach verschobenen Debatte, dass die SPD für Freiheitswerte stehe und diese auch im Internet erhalten müsse. Für die Bekämpfung von Kriminalität im Netz müssten die Strafverfolgungsbehörden besser ausgerüstet werden. Eine verdachtsunabhängige Überwachung könne dagegen die Meinungsfreiheit einschränken. Auch Bundestagsabgeordnete wie Ulrich Kelber sprachen sich gegen das Vorhaben aus, das er mit Passkontrollen mit anschließender Datenspeicherung in Fußgängerzonen verglich.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, meinte zwar, dass auch die Sozialdemokraten für die Freiheit des Netzes kämpfen müssten und dieses Thema nicht den Piraten überlassen dürften. Grenzenlos dürfe die Freiheit aber nicht sein, sodass drei Monate Speicherung einen guten Kompromiss darstellten. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger und der Innenpolitiker Gerold Reichenbach hielten teils flammende Plädoyers für die Datenerfassung. Die Nutzer würden ihre Informationen bei Facebook, Google und Twitter eh schon preisgeben. Eine gesonderte Webseite aus dem Parteiumfeld hat derweil die Anträge der Gegner zusammengefasst. Sie interpretiert den gefassten Beschluss so, dass Standortdaten nicht verwertet werden dürften. Ein netzpolitischer SPD-Gesprächskreis hatte sich zuvor dafür stark gemacht, dass derlei im Mobilfunk anfallende Informationen gar nicht zu speichern seien. (jk)