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Die Geschichte vom „Kampf um das Internet“, die Spiegel und andere Medien gerne immer wieder mal aufgreifen ist ein Popanz.

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Ich weiß, man soll keine Kollegenschelte betreiben. Aber was der Spiegel vergangene Woche mit seiner Titelgeschichte „Die fantastischen Vier“ wieder aufgekocht hat, finde ich mehr als unappetitlich.

„Apple, Google, Amazon und Facebook sind die wichtigsten Konzerne der Gegenwart“, erfahren wir da. „Sie haben unseren Alltag und unser Denken verändert, wie wenige Unternehmen vor ihnen.“ Wenn man mal von der Auto-Industrie absieht. Oder der Einführung des PCs, bei der Apple zwar eine gewisse Rolle gespielt hat, Amazon, Google und Facebook aber nicht die Bohne. Aber das ist nicht wirklich wichtig. Denn jetzt kommt der Knaller: „Zunächst haben sie“ - also die wichtigsten Unternehmen der Welt - „die digitale Welt unter sich aufgeteilt. Jetzt kämpft jeder gegen jeden“.

Da bin ich aber echt überrascht. Da haben wir vier Weltkonzerne, die alle im Bereich IT Geschäfte machen, die alle das Endkunden-Geschäft bedienen - und die machen sich gegenseitig Konkurrenz. Donnerlüttchen. Wie sagte doch der legendäre Gordon Gekko schon so schön: „Geschäft ist Krieg. Wenn Du einen Freund brauchst, kauf‘ Dir einen Hund.“

Jetzt mal im Ernst. Die Geschichte vom „Kampf um das Internet“, die der Spiegel und andere Medien gerne immer wieder mal aufgreifen ist ein Popanz. Die Story ist hübsch und lässt sich mit allerlei Stereotypen und Anekdoten garnieren - zum Beispiel der vom ultracoolen Durchblicker Steve Jobs, der gewissermaßen noch auf dem Sterbebett den fiesen Konkurrenten Google verflucht, weil der das Betriebssystem Android von Apple abgekupfert haben soll.

Oder die Story aus dem Googleplex mit den bonbonbunten Möbeln, dem Swimming Pool und Volleyball-Strand im Hauptquartier. Wo fröhliche Mitarbeiter „zwischen Lavalampen, Sofas und Billardtischen“, „Zitronengras-Drinks durch Strohhalme“ saugen. Diese fröhliche, freundliche Atmosphäre kommt ja immer so ein bisschen untergründig unheimlich rüber - als ob die da alle einer Gehirnwäsche unterzogen worden sind. Oder sich plötzlich als völlig durchgeknallt erweisen. Wie in den Filmen von Stephen King, wo der Clown die Axt auspackt.

Kurz: Was da vor den Augen der Leser ausgebreitet wird, ist eine Schmonzette, wo eine Analyse notwendig gewesen wäre. Was treibt die beschriebenen Läden um? Wieviel Geld haben sie auf Tasche? Was für innovative Start-Ups kaufen sie ein? Woran forschen sie? Wie haben sich die Marktanteile entwickelt? Und vor allem und immer wieder: Gibt es Alternativen?

Wenn das Internet unsere Kultur derartig stark beeinflusst hat, wie dort zu lesen, drängt sich diese Frage doch auf. Ich bin weit davon entfernt, das hohe Lied der kritischen Verbrauchermacht zu singen. Aber wäre es nicht lohnend, über eine öffentliche und offene Suchmaschine zumindest zu diskutieren? Genauso wie über datenschutzfreundlichere Alternativen zu Facebook? Oder zumindest über die Frage, was die Leute denn bei Facebook hält, wenn das alles so schlimm ist.

Grade die IT mit ihren Open-Source-Produkten, ihren freiwilligen Zusammenschlüssen, der hochgelobten „Weisheit der Vielen“ gemischt mit der unkontrollierbaren Dynamik sozialer Netze ist doch ein wunderbares Beispiel für scheinbar ohnmächtige Konsumenten, die immer wieder ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen.

(wst)