Internet-Enquete hört Experten zu Digitalisierung und Arbeit

Die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft will Handlungsempfehlungen erarbeiten, wie die Herausforderungen der Digitalisierung für Wirtschaft und Arbeit gemeistert werden können.

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Von
  • Falk Lüke

Um "Veränderungsprozesse in der digitalen Wirtschafts- und Arbeitswelt" ging es am Montag in einer Anhörung der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages. Zum Auftakt kritisierte Günter Dueck, ehemaliger Technikchef von IBM Deutschland, die Politik: "Selbst wenn ich Ihnen eine schöne Zukunft bringe, werden sie die nicht wollen. Sie werden sagen: das hat aber auch Nachteile." Konkrete Ratschlägen für die 34 Kommissionsmitglieder steuerte Dueck allerdings nicht bei.

Die sechs von der Kommission befragten Experten beschäftigten sich in erster Linie mit der Internetwirtschaft in Deutschland, grundsätzliche Anmerkungen zur Digitalisierung der Arbeit und Wirtschaft blieben selten. Insgesamt vermittelte die Anhörung kein klares Bild der Herausforderungen für Wirtschaft und Arbeit, die durch die Digitalisierung entstehen. Ob die Anhörung der Projektgruppe "Arbeit, Wirtschaft, Green-IT" wesentlich weiterhelfen konnte, blieb unter den Mitgliedern der Kommission umstritten. Bis zum Ende des Frühjahrs soll sie konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln.

SpiegelNet-Geschäftsführer Heiko Hebig betonte: "Deutschland ist immer noch kein Startup-freundliches Land." Dies könne sich nur ändern, wenn das Scheitern in der Gesellschaft gedanklich ankommen würde. Es fehle an entsprechender Bildung, Risikokapital, und Unterstützung beim Werben ausländischer Experten. Hebig wies darauf hin, dass politische Vorhaben wie Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren oder eine fehlende Netzneutralität dem Standort schaden würden. Er schlug vor, dass die Besteuerung von Unternehmensanteilen in Deutschland geändert werden könnte – da dies die Währung sei, in der junge Unternehmen zahlen könnten, aber der eigentliche Wert würde wenn dann erst später eintreten.

"Meiner Meinung nach ist es kein Startup-Problem, das wir haben, sondern ein Problem, Startups zu richtigen Wachstumsunternehmen zu machen", erklärte dagegen Frederic Hanika von der Software AG. Als positive Beispiele nannte er neben den USA auch Israel und Frankreich, das im Venture Capital-Bereich weit vor der Bundesrepublik liege. Israel habe vor 20 Jahren mit einem staatlichen Programm Venture Capital gefördert, weshalb Israel heute die einzige mit dem Silicon Valley vergleichbare Gegend der Welt sei. In Frankreich habe man eine Steuerermäßigung für Investments von Privatpersonen in Venture Capital-Fonds geschaffen. Daraufhin hätten sich viele kleinere Fonds gegründet, die eben keine Finanzjongleure seien, und sie agierten anders als beispielsweise eine deutsche Bank, so Hanika.

Der Experte Tom Kirschbaum von Penelope Ventures stellte die Mentalität und Attraktivität der digitalen Wirtschaft in den Mittelpunkt seiner Beiträge: "In diesem Bereich der Wirtschaft ist alles möglich. Hier können die Dinge wirklich auf den Kopf gestellt werden, es gibt keine Limits." Wenn man sich überlege, wie Apple mit iTunes den Musikmarkt oder Google mit seinem mathematischen Ansatz die Werbeindustrie aufgerollt habe, würde dies klar. Alte Unternehmen würden von den Innovationen und der Flexibilität junger Unternehmen profitieren, die "disruptiv denken" und kein "Das haben wir schon immer so gemacht" kennen würden. Derzeit sei insbesondere die Seed-Finanzierung problematisch. Der "High-Tech-Investmentfond" der Bundesregierung sei kein gutes Werkzeug: der Staat sei kein besonders guter Investor.

Ruth Stock-Homburg, Professorin für Marketing und Personalmanagement am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt berichtete aus der laufenden Forschung: "Wir stellen in unseren Studien immer stärker fest, dass wir eine Bildungsschere haben, die wir auch bei der Frage zukünftiger Arbeitswelt stellen müssen. Welche Rolle spielt bei dieser Heterogenität der arbeitenden Bevölkerung das Thema Work-Life-Balance?" Für die Forscherin gibt es dazu derzeit noch viele offene Fragen: "Wird es so etwas in der Zukunft noch geben, wie gehen Menschen unterschiedlicher Generationen und unterschiedlicher Bildung damit um?" Bei Digital Natives flössen Arbeit und persönliches Leben zunehmend zusammen. (vbr)