IT-Geschichte: Warum das Netz nicht aus Europa kommt

In den 1960er Jahren gab es kurzzeitig die Chance, die Voraussetzungen für ein weltweites Datennetz in Europa zu schaffen.

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Warum kommt das Internet aus den USA und nicht aus Europa? Dieser Frage geht Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 01/12 (am Kiosk oder online zu bestellen) in einer Fallstudie nach. Denn rein technisch stand Europa in der Frühphase der Computernetze, 1967, noch recht gut da: Donald Davies vom National Physical Laboratory bei London erzählte damals dem CCITT-Gremium aus Fachleuten der staatlichen Post-, Telefon- und Telegrafengesellschaften in Genf, wie große Dateien in kleine Datenpakete zerstückelt werden können, die selbstständig und unabhängig voneinander durch ein Netzwerk reisen und erst beim Empfänger wieder zusammengesetzt werden – Packet Switching eben. Mit seinem Vortrag erreichte Davies, dass die CCITT eine Arbeitsgruppe für neue Datennetze ins Leben rief. Diese erwies sich jedoch als reine Alibiveranstaltung, um unbequeme Wissenschaftler wie ihn ruhigzustellen.

Über einige Umwege kam das europäische Datennetz dann doch wieder auf die Tagesordnung. 1969 tauchte das "European Informatics Network" (EIN) als Forschungsprojekt auf. Es sollte mit einem vergleichsweise bescheidenen Budget von auf heutige Kaufkraft umgerechnet 50 Millionen Euro das erste europäische Computernetzwerk entstehen, verbunden über die Leitungen der nationalen Post-, Telefon- und Telegrafengesellschaften. Die ersten fünf Knotenpunkte waren das Centre Rete Europea di Informatica (CREI) in Mailand, die ETH Zürich, das Institut National de Recherche en Informatique et en Automatique (INRIA) in der Nähe von Versailles, das European Communities Joint Research Centre im norditalienischen Ispra und das National Physical Laboratory nahe London.

Allerdings wollten sich unter anderem die Deutschen bis Mitte der 70er Jahre nicht auf paketvermittelte Technologien festlegen, was den Start verzögerte. Gegen die Monopole der staatlichen Fernmeldeorganisationen kam man damals eben nicht an, sagt heute Maurice Allègre, der unter anderem den französischen Präsidenten Valery Giscard d'Estaing in technologischen Fragen beraten hat. "Wenn die Nein sagten, dann war es eben nein. So einfach war das."

Und so blieb es letztlich den Amerikanern überlassen, ein weltumfassendes Datennetz zu entwickeln. Zwischen 1967 und 1969 – in einer Zeitspanne, in der die Europäer ausschließlich darüber diskutierten, welche Forschungsprojekte gefördert werden sollten – hatten die Wissenschaftler der vom US-Verteidigungsministerium finanzierten Forschungsagentur ARPA bereits die ersten vier Computer paketvermittelt zusammengeschaltet.

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(bsc)