Spieltheoretiker warnt vor Überschätzung der Abschreckung

Neue technische Entwicklungen wie die Laser-Isotopen-Trennung heizen das Atomkriegs-Risiko wieder an. Das Konzept der nuklearen Abschreckung funktioniert in der heutigen Weltordnung nicht mehr, warnen Militärexperten und Spieltheoretiker.

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Neue technische Entwicklungen wie die Laser-Isotopen-Trennung heizen das Atomkriegs-Risiko wieder an. Das Konzept der nuklearen Abschreckung funktioniert in der heutigen Weltordnung nicht mehr, warnen Militärexperten und Spieltheoretiker, berichtet Technology Review in seiner Online-Ausgabe.

1981, als sich die Sowjetunion noch über elf Zeitzonen erstreckte, stellte der US-Politikwissenschaftler Kenneth Waltz die These auf, dass mehr Nuklearwaffen in der Welt den Frieden fördern. In seinem Artikel "The Spread of Nuclear Weapons: More may be better" argumentierte er, wenn Frieden die Abwesenheit von allgemeinem Krieg bedeute, sei mit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki eine beispiellose Friedensära angebrochen. Auch 30 Jahre später argumentieren Waltz und die sogenannten Neorealisten so.

Dank sich weiterentwickelnder Technik lässt sich die These möglicherweise bald überprüfen. Denn in der Nähe von Wilmington in North Carolina entsteht derzeit eine unscheinbare Anlage, die spätestens 2013 erstmals Uran mittels Laser-Isotopen-Trennung (LIS) anreichern wird. Damit lässt sich reaktortaugliches Uran – acht Prozent bestehen aus dem spaltbaren Isotop Uran 235 – billiger und mit weniger Abfall produzieren als mit den heutigen Zentrifugen. Die LIS ist jedoch auch besonders geeignet, unbemerkt waffentaugliches Uran – mit einem Anteil von Uran 235 von mindestens 90 Prozent – herzustellen. Die Technologie könnten sogar nicht-staatliche Akteure einsetzen. Nötig sei nur eine mittelgroße Lagerhalle, sagt Charles Ferguson, Präsident der atomkritischen Federation of American Scientists.

Die Abschreckungstheorien des Kalten Krieges basierten darauf, dass sich zwei Spieler in einem Nullsummenspiel befinden – wenn einer gewinnt, verliert der andere. In Spielen mit mehr als zwei Spielern nimmt jedoch die Komplexität exponentiell mit der Zahl der Spieler zu. Auf die nukleare Abschreckung bezogen, heiße das, dass die Instabilität rapide zunehme, sagt Martin Shubik, der früher an der Yale University Spieltheorie gelehrt hat. „Meine zentrale Schlussfolgerung ist, dass die USA gut beraten wären, eine globale Gruppe einzuberufen, die alle Nuklearstaaten überwacht“, sagt Shubik. „Ohne etwas Derartiges ist die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch, dass wir in den nächsten 20 Jahren einen Atomkrieg vermeiden können“, warnt Shubik.

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(bsc)