28C3: Hacker suchen ihre Rolle in der digitalen Gesellschaft

CCC-Sprecher Frank Rieger zeigte sich zum Abschluss der Hackerkonferenz überrascht angesichts der heftigen Debatten über die Bedeutung der Szene, die einen kritisch-schöpferischen Umgang mit Technologie pflegt.

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Die heftig geführte Debatte über die Bedeutung von Hackern in der heutigen Welt habe ihn überrascht, erklärte der CCC-Sprecher Frank Rieger am Freitag beim Abschluss des 28. Chaos Communication Congress (28C3). Selbst im "Art & Beauty"-Bereich oder an der "Painstation", einer Neuauflage des "Pong"-Spieleklassikers mit Schmerz-Rückkoppelung, hätten die Teilnehmer des CCC-Jahrestreffens darüber diskutiert, ob Technologien derzeit eher für Positives oder zur Unterdrückung genutzt würden.

Neu ist die Suche der Hacker nach ihrer Rolle freilich nicht. Die 30-jährige Geschichte des Clubs ist gezeichnet von Auseinandersetzungen um den Umgang mit Gesetzen sowie die Macht und Ohnmacht der Datenreisenden.

Schon mit dem BTX-Hack des CCC 1984 habe sich hierzulande das Bild des "guten Hackers" à la Robin-Hood durchgesetzt, erklärte der Informatiker und Technikphilosoph Kai Denker auf dem Kongress in einem Vortrag über die Bedeutung von Hacktivismus. Der Club, dessen Mitglieder sich schon lange vor Einrichtung der Enquete-Kommission des Bundestags zum Internet um Politikberatung bemühten, stehe seitdem auch für Verbraucher- und Datenschutz. Generell stecke das Hacking aber noch in den Kinderschuhen.

Laut Rieger haben die mehreren tausend Teilnehmer zehn mal soviel Strom verbraucht wie ein Energiesparhaus in einem Jahr. 130 Referenten bestritten 99 Vorträge, die das Organisationsteam aus 235 Einreichungen auswählte. Nur einer sei ausgefallen. 315 freiwillige Helfer ("Angels") hielten den Kongress am Laufen. Das Sanitäterteam "CERT" habe 43 Einsätze absolviert, bei denen nur zweimal medizinische Hilfe von außen erforderlich gewesen sei.

Das Netzwerk habe deutlich besser funktioniert als in den Vorjahren, befand Rieger. Es habe zwar einige "Schluckaufs" gegeben, insgesamt hätten jedoch das stationäre Netz und mehrere WLAN-Varianten reibungslos gearbeitet. Die Hacker versandten rund 91 Terabyte nach draußen und empfingen 28 Terabyte. Am Abuse-Telefon seien nur zwei größere Vorfälle gemeldet worden, die sich auf Denial-of-Service-Attacken auf deutsche Webseiten bezogen hätten.

Gewachsen ist laut Rieger zwar der "kulturelle Raum" der Hacker, nicht jedoch der am Tagungsort, das Berliner Congress Center (bcc) am Alexanderplatz. Die Nachfrage nach Tickets sei doppelt so hoch gewesen wie die letztlich ausgegebene Anzahl. "Das Gebäude ist etwas klein", räumte Rieger ein. Sein Fassungsvermögen ist schon seit Jahren erreicht; Karten gibt es nur noch im Vorverkauf und vom zweiten Kongresstag an für Tagesbesucher. Dieses Jahr barsten die Gänge und Vortragsräume, die von "Einpeitschern" bis auf den letzten (Steh-)Platz gefüllt wurden, aus allen Nähten.

Ein zusätzlicher Lounge-Bereich in einem Zelt bot keine Abhilfe. Gleich zu Beginn bildete sich eine mehrere hundert Meter lange Schlange von Interessenten für die inoffiziellen Namensschilder in Form von "r0ket-Platinen". Sie lassen sich programmieren und zum Blinken bringen. Heiß begehrt war auch erneut koffeinhaltige Hackerbrause: Weg gingen 9000 Flaschen der sprudelnden Club-Mate und 3000 der herberen Variante Flora-Power – die gesamte Dezemberproduktion.

Nun sei wieder die Diskussion um den Umzug auf ein größeres Gelände und die damit einhergehende Ausweitung der Besucherzahlen entbrannt. Der CCC hatte sich unter anderem die Station-Berlin angeschaut, in die 2012 die Blogger-Konferenz re:publica ziehen will. Das Gelände des früheren Dresdner Bahnhofs sei aber zunächst wegen seines hohen Heizbedarfs durchgefallen, war zu vernehmen.

Interessierten, die keine Karte mehr ergattern konnten, bleibt das bereits größtenteils auf YouTube verfügbare Videomaterial. Die für die Aufzeichnungen und Live-Übertragungen zuständige Forschungsgemeinschaft elektronische Medien (FEM) habe dieses Jahr 17 verschiedene Streaming-Formate angeboten, auf die in Spitzenzeiten 4000 Nutzer gleichzeitig zugegriffen hätten, lobte Rieger. Nur so sei die virtuelle Kongresserweiterung "No Nerd left behind" möglich gewesen. (ck)