"Ziele setzen und Mittel bereitstellen – das ist schon die halbe Unternehmerleistung"

Von Prognosen halte ich als Mittelständler wenig, wohl aber von Projektionen: Wo möchte ich stehen im kommenden Jahr? Was kann die Familie / die Firma / meine Branche erreichen? Was muss (s)ich ändern?

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Von
  • Heinz-Paul Bonn

Heinz-Paul Bonn, Vorstandsvorsitzender, GUS Group AG & Co KG

(Bild: GUS)

Lieber Damian Sicking,

wenn einer keine Angst habe, meinte Erich Kästner, dann habe er keine Phantasie. Und, ja: als Vater, Vorstandsvorsitzender, Vizepräsident und Vielflieger habe ich auch immer viel Phantasie. Sie ist Voraussetzung, um erwartungsvoll in die Zukunft schauen zu können. Die Amöbe hat keine Phantasie und somit, nach Kästner, auch keine Angst. Aber sie hat auch keine Vorstellung von der Zukunft.

Die muss man aber haben, wenn man die Welt, vielleicht nicht unbedingt verändern, aber doch ein wenig in seinem Sinne beeinflussen will. Deshalb projizieren wir unsere Vorstellung auf die kommende Zeit – und wenn wir diese Projektion aussprechen, wird sie als Prognose wahrgenommen. So läuft das.

Der Mittelständler, der ich mit Überzeugung bin, hält genauso wenig von Prognosen, wie Sie, lieber Damian Sicking. Da sind wir beide wohl eher Agnostiker. Aber ich halte etwas von Projektionen: Wo möchte ich stehen im kommenden Jahr? Was kann die Familie / die Firma / meine Branche erreichen? Was muss (s)ich ändern?

Diese Fragen treiben mich zwischen Weihnachten und Neujahr genauso um wie zwischen Neujahr und Weihnachten. Sie sind der Antriebsmotor des mittelständischen Unternehmers. Hier fällt einem ja geradezu reflexartig der gute alte Schumpeter mit seiner "schöpferischen Zerstörung" ein. Aber das muss es gar nicht immer sein. Deshalb hier eine andere Anekdote über den großen Ökonom. Der hatte nämlich drei Ziele: ein wunderbarer Musiker, Liebhaber und der berühmteste Wirtschaftswissenschaftler zu sein. – Und er habe immer bedauert, so ein schlechtes Cello gehabt zu haben…

So ist das mit den Zielen. Wenn man sie nicht formuliert (und publiziert), dann sucht man auch nicht nach den Mitteln, um sie zu erreichen. Ich denke, das ist schon die halbe Unternehmerleistung: Ziele setzen und Mittel bereitstellen. Und es ist auch eine gute Maxime für die Lobbyarbeit: Ziele setzen und Mittel einfordern. Das tut der Bitkom mit dem Rückhalt einer Branche, die nicht nur zu den stärksten Arbeitgebern in Deutschland zählt und deren Beitrag zur Wertschöpfung stattlich ist. Die Informationstechnik ist auch als Querschnittsbranche mitverantwortlich für den Erfolg anderer.

Sie haben schon recht, lieber Damian Sicking: ein Prozentpunkt rauf oder runter macht uns am Ende des Jahres nicht glücklicher, nicht weniger ängstlich. Aber als Verband fragen wir nach den Zielsetzungen unserer Unternehmer (und natürlich auch nach deren Mittelbereitstellung). Und wir fragen nach den Aufträgen, die die Informationswirtschaft aus anderen Branchen erhält. Das Ergebnis ist nur eine Zahl – aber sie beschreibt eine Stimmung.

Es gibt Verbände, deren Lobbyarbeit sich darauf zu beschränken scheint, vor der Zukunft zu warnen. Sie fürchten hier den Wegfall von Subventionen, da das Einbrechen der weltweiten Konjunktur und dort die Beschneidung angestammter Rechte. Das ist nicht gerade visionär. Der Bitkom ist ein Verband, dessen Mitglieder zunächst einmal Möglichkeiten sehen, Potenziale. In diesem Sinne werden wir auch weiter "foolish and hungry" bleiben – dann kommen die Jobs (entschuldigen Sie bitte dieses Wortspiel) schon von ganz alleine.

Als Mittelständler habe ich stets – das ganze Jahr über – zwei Ängste: zu wenig Aufträge oder zu wenig Mitarbeiter. Alles andere überlasse ich meiner – und Ihrer – Phantasie.

Ihr
Heinz-Paul Bonn

Vorstandsvorsitzender
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