Probebetrieb für digitalen Behördenfunk in NRW

Mit stattlicher Verzögerung geht der digitale Behördenfunk in Nordrhein-Westfalen in den Testbetrieb. Auch in abgespeckter Form ist das Projekt noch anspruchsvoll genug.

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Von
  • Detlef Borchers

Der nordrhein-westfälische Innenminister Rolf Jäger (SPD) hat am Montag in Düsseldorf den Startschuss für den Probebetrieb des Digitalfunks für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) gegeben. Ab sofort testen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste in Düsseldorf, Mönchengladbach und Neuss das neue System, wobei der Analogfunk im Hintergrund weiterläuft. Im März soll der Großraum Köln folgen, ehe im Mai in Aachen das älteste deutsche Digitalfunknetz durch ein moderneres Funksystem abgelöst wird. Insgesamt gibt NRW für den Härtetest im bevölkerungsreichsten Bundesland 513 Millionen Euro aus. Wenn alles klappt, kann der Analogfunk 2013 abgeschaltet werden.

Innenminister Jäger verlas am Montag in Düsseldorf eine Pressemitteilung seines Ministeriums aus dem Jahr 2005. Rechtzeitig zur Fußball-WM würden Deutschlands Sicherheitskräfte über das modernste Funknetz der Welt verfügen, hatte es seinerzeit geheißen. Streitigkeiten über die Aufteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern sowie eine völlige Unterschätzung des Arbeitsaufwandes bei der Umstellung des Netzes haben zu dem enormen Verzug geführt. Zum Auftakt des Testbetriebs geben sich die Beteiligten entsprechend vorsichtig. "Wir unterbrechen die Probephase sofort, wenn wir gravierende Schwächen oder Fehler im System erkennen. Dann müssen die Hersteller die Probleme lösen," erklärte Jäger.

Der Minister und eine Polizeibeamtin zeigen die neuen Digitalfunkgeräte.

(Bild: heise online/Borchers)

Für den Probebetrieb in Düsseldorf wurden 36 Polizeiwachen, 5 Leitstellen und 860 Funkstreifenwagen umgerüstet und 41 Basisstationen errichtet. Insgesamt müssen in NRW 26.000 Fahrzeuge umgerüstet und 80.000 Handfunkgeräte beschafft werden. Für die gesamte Umstellung in NRW müssen 40.000 Polizisten und 120.000 Mitarbeiter bei der Feuerwehr, den Rettungsdiensten und sonstigen Hilfsorganisationen an den neuen Geräten geschult werden. Derzeit haben im Raum Düsseldorf 4000 Polizei-, Zoll- und Justizbeamte eine entsprechende Schulung hinter sich.

Im Unterschied zu anderen Projekten rund um dem digitalen BOS-Funk tastet die Lösung in Nordrhein-Westfalen den existierenden Leitstellenaufbau zunächst nicht an. Anders als in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, wo die Leitstellen der einzelnen Dienste zusammengelegt und damit auch ausgedünnt werden, hat man sich in NRW vom Konzept der integrierten Leitstelle verabschiedet. Wie der zuständige Ministerialrat Johannes Brungs bereits auf der PMRExpo mitteilte, war die gemeinsame Lösung für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste zu komplex geworden. Bedingt durch zahlreiche Probleme bei der grafischen Benutzeroberfläche habe man die Reißleine gezogen und sich für einen reinen Digitalfunk entschieden.

Ob nach dem Probebetrieb des Funksystems eine gemeinsame Arbeit der Leitstellen realisiert werden kann, hängt davon ab, ob die Anbieter der Funkgeräte und der Leitstellentechnik im Jahr 2012 einen "digitalen Stecker" entwickeln werden, den sie für 2012 zugesagt haben. Der "digitale Stecker" ist eine einheitliche Geräteschnittstelle, die es trotz aller Bekundungen zum TETRA-Standard nicht gibt. Was derzeit einwandfrei funktioniert, ist allein die Luftschnittstelle: alle Geräte kommunizieren einwandfrei per Funk miteinander. Spätestens dann, wenn 2013 der Neubau für das zentrale BOS-Rechenzentrum in Duisburg fertiggestellt ist, müssen alle Systeme auch über den IP-Backbone kommunizieren können. (vbr)