Kodak: Der lange Fall eines Industrie-Pioniers

Kodak hatte der Welt einst das Fotografieren beigebracht. Doch die Digitalbilder radierten das Film-Geschäft aus, der Pionier ist pleite. Die Geschichte des Kodak-Niedergangs zeigt, wie neue Technologie einen Industriegiganten zu Fall bringen kann.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 24 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • dpa

Mit Kodak schlittert nicht einfach nur ein traditionsreicher Konzern in die Pleite – es ist ein Industriepionier, der die Geschichte der Menschheit verändert hat wie nur wenige andere Unternehmen.

Kodak erfand den Fotofilm und die schnell austauschbare Kleinbild-Kartusche. Mit der Ein-Dollar-Kamera "Brownie" machte der Konzern vor mehr als 100 Jahren das Fotografieren der breiten Masse zugänglich. Zudem legte die Erfindung des Films den Grundstein für das Kino. Anders gesagt: Ohne Kodak hätten die Menschen viele Erinnerungen nicht in Bildern festhalten können.

Das Unternehmen hat über viele Jahrzehnte hinweg gut damit verdient – sehr, sehr gut. Firmengründer George Eastman griff zu einem genialen Geschäftsmodell: Den Leuten günstige Kameras in die Hand zu drücken und das Geld dann mit Filmen und den dazugehörenden Dienstleistungen zu machen. Noch in den 70er Jahren dominierte Kodak den amerikanischen Fotomarkt mit einem fantastischen Anteil von mehr als 80 Prozent.

Wie kann man aus so einer sagenhaften Position heraus alles verlieren? Der Kodak-Niedergang ist ein Lehrstück dafür, wie sich ein Marktführer vom technologischen Fortschritt überrollen lassen kann. Die tragische Ironie der Geschichte: Kodak hielt die Zukunft als erster in der Hand. Schon 1975, lange vor allen Rivalen, entwickelte Kodak die erste Digitalkamera. Doch das Management verstaute sie wieder im Regal, um nicht das Geschäft mit Fotofilmen zu gefährden.

Mit dieser Entscheidung verpasste Kodak aus Rücksicht auf aktuelle Gewinne eine einmalige Chance, sich an die Spitze der Innovation zu setzen. Den Managern war klar, das ihr lukratives Film-Modell für die digitale Ära nicht mehr passte. Kodak wurde damit zur Geisel des eigenen Erfolgs. In den 90er Jahren versuchte der Konzern, aus seiner starken Marktposition heraus den Übergang zur Digitalfotografie zu steuern – doch die explosive Entwicklung der Technik ließ die Pläne für einen geordneten Wandel wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.

Das Fotografieren ist auch heute noch ein Milliarden-Markt, doch davon profitieren andere Unternehmen als Kodak – Kamera-Hersteller, Druck-Dienstleister, Software-Entwickler. Mehr noch: Die Smartphone-Kameras sind inzwischen so gut, dass jetzt schon die Hersteller einfacher digitaler Fotoapparate um ihre Zukunft bangen.

Seit den 90er Jahren zählte Kodak zwar zu den führenden Herstellern von Digitalkameras, machte damit wie mit analogen Billigfotoapparaten aber Verluste – und konnte das Geld nicht mehr mit Film-Verkäufen wieder reinholen. Die Firma versuchte, ein Geschäft mit Foto-Speicherung auf CDs zu etablieren. Die Technik, die Kodak dazu anbot, war jedoch zu teuer und wenig später hatte jeder ein DVD-Laufwerk in seinem PC. Zuletzt versuchte der aktuelle Chef Antonio Perez, Kodak zum Druck-Dienstleister umzubauen. Doch der Wandel lief zu langsam, während die Verluste nicht aufhörten.

Alarmzeichen hatte es schon vorher gegeben. Bereits in den 40er Jahren führte Polaroid die Sofortbild-Fotografie ein. Kodak konterte mit eigenen Sofortbild-Kameras, die dem Unternehmen allerdings auch einen langen Ideenklau-Streit mit Polaroid einbrachten. Polaroid ging unter dem Druck der digitalen Konkurrenz schon 2001 pleite. Jetzt versuchen es neue Investoren unter dem traditionsreichen Markennamen wieder: Sie verkaufen eine Digitalkamera mit eingebautem Drucker, die von Design her an klassische Polaroid-Modelle erinnert.

In den 80er Jahren preschte dann der Rivale Fujifilm mit günstigeren Filmen ins angestammte Kodak-Revier vor. Nach und nach höhlten die Japaner die Kodak-Marktanteile aus, schon in den 90er Jahren musste Kodak zehntausende Mitarbeiter entlassen. Das Bewusstsein, dass sich etwas ändern muss, war da. Doch die Firmenspitze agierte zu langsam. Ideen für digitale Produkte wurden anfangs verworfen, stattdessen verbrannte Kodak in den 80er Jahren Milliarden mit einem Ausflug ins Pharma-Geschäft.

Auch wenn Kodak in dem Insolvenzverfahren noch von der Schippe springen sollte – die alte Größe ist nur noch eine blasse Erinnerung. Perez verweist zwar darauf, dass 75 Prozent der Erlöse jetzt aus dem digitalen Geschäft kommen – doch der Umsatz betrug nur noch gut 7 Milliarden Dollar statt mehr als 15 Milliarden in den 90er Jahren. Von einst fast 150.000 Mitarbeitern sind nur noch 17.000 übrig.

Weitere Artikel zum Thema Kodak-Insolvenz:

(keh)