Kilo oder Kilogramm?
Die saloppe VerkĂĽrzung von MaĂźeinheiten ist keine sprachliche Schlamperei.
Neulich beschwerte sich ein Leser, dass wir in einem unserer Stücke ein Gewicht in „Kilo“ statt in „Kilogramm“ angegeben hätten. Ich muss gestehen: Ich habe es im aktuellen Heft wieder getan. Und werde es weiterhin tun.
Ich bin der Meinung, dass Sprache zwar so genau wie nötig, aber auch so kurz wie möglich sein sollte. Und das Kriterium, an der ich die Genauigkeit messe, ist nicht: Würde es auch so in Physik-Lehrbüchern stehen? Sondern: Liegt für den Leser irgendeine Verwechslungsgefahr vor? Im Falle von Kilo: Ganz klar nein. Im Zusammenhang mit „wiegen“ ist es für jeden, jeden, jeden Leser völlig klar, dass es sich um Kilogramm und nicht um Kilobyte, Kilometer, Kilopond oder sonstwas handelt.
Das Gleiche gilt meines Erachtens auch für „Grad Celsius“ oder „US-Dollar“ – ich finde „Grad“ und „Dollar“ in den meisten Fällen vollkommen ausreichend. Temperaturen werden hierzulande nun einmal in Grad Celsius angegeben, das braucht man nicht eigens anzugeben. Kein deutschsprachiger Leser wird sich ernsthaft fragen, ob von Grad Celsius oder Grad Fahrenheit die Rede ist. (Und „Grad Kelvin“ ist ohnehin veraltet. Ein Kelvin ist einfach ein Kelvin.) Und niemand wird rätseln, ob beim Satz „Das Barrel Rohöl kostet mehr als 100 Dollar“ nun US-Dollar, neuseeländische oder kanadische Dollar gemeint sind.
Nun höre ich schon den Einwand: Dann schreibt's solche Einheiten halt trotzdem vollständig hin, stört ja schließlich keinen. Doch – mich stört's. Solche Über-Bestimmtheit macht Sprache starr, spröde und umständlich. Ich glaube, bei einem journalistischen Beitrag die Bereitschaft der Leser voraussetzen zu dürfen, mich nicht willentlich misszuverstehen. Juristen haben es da schwerer – sie müssen ihre Texte auch gegen gezieltes Falschverstehen wasserdicht machen. Genau darum sind Gesetze, Verträge und Urteilsbegründungen in der Regel auch so unerquicklich zu lesen. (wst)