Österreich: A1 Telekom Austria verfasste umstrittene Verordnung

Zeugen bestätigten, dass die Initiative für eine umstrittene staatliche Verordnung von der A1 Telekom Austria ausging, Kritik und Verbesserungsvorschläge wurden nicht gehört, Mitbewerber litten unter den Folgen.

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Die umstrittene Novelle der Universaldienstverordnung zur Einführung einer Payphone Access Charge (PAC) im Jahr 2006 ist von der A1 Telekom Austria (TA), die davon profitiert, verfasst worden. Dies haben Zeugen vor dem am Donnerstag eröffneten Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments ausgesagt. Bereits nach verlorener Wahl aber kurz vor dem Ausscheiden aus dem Amt hat der damalige Verkehrsminister Hubert Gorbach (zuvor FPÖ, dann BZÖ) die entsprechende Verordnung unterzeichnet.

Durch die PAC wurde es für Inhaber von 0800-Nummer vielfach teurer, aus Telefonzellen angerufen zu werden. Dies traf nicht nur soziale Dienste hart, sondern vernichtete auch den Markt für Calling Cards. Laut Branchenanalysten soll die TA von der Einführung der PAC mit 10 Millionen Euro pro Jahr profitiert haben. Die Verordnung ist nach wie vor in Kraft.

Mehrere hochrangige (Ex-)Beamte des Verkehrsministeriums sagten am Donnerstag im Parlament zum damaligen Ablauf aus. Demnach war aus dem Ministerbüro die Weisung gekommen, einen von der TA übermittelten Verordnungsentwurf zu übernehmen. Es habe schnell gehen müssen, sodass die notwendige öffentliche Begutachtung im Hochsommer in nur drei Wochen durchgeführt wurde. Dabei eingereichte kritische Stellungnahmen bewirkten aber keine Änderung – die Novelle wurde sogar auf 0810- und 0820-Nummer ausgedehnt. Auch die Aktenführung fiel dem Untersuchungsausschuss auf, so sollen zwar Schreiben der TA enthalten sein, nicht aber ablehnende Schreiben alternativer Anbieter.

Die TA hat BZÖ-nahen Kreisen heimlich über Mittelsmänner eine sechsstellige Summe zukommen lassen. Ein Zusammenhang mit der Universaldienstverordnung konnte mit den Aussagen aber nicht bewiesen werden. Unter den Zeugen war auch der damalige Sektionschef im Verkehrsministerium, Dr. Alfred Stratil, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen verbotener Geschenkannahme ermittelt. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. "Ich habe nie ein Geschenk angenommen", so Stratil. Er habe damals aus den Medien zwar vom Verdacht der Parteienfinanzierung in Zusammenhang mit der Rechtsänderung erfahren. "Aber ich verstehe bis heute nicht, wofür man für die Universaldienst-Verordnung etwas zahlen hätte sollen", lautete die frappierende Stellungnahme des damaligen Spitzenbeamten.

Minister Gorbach selbst hatte damals Geldflüsse bestritten. Jetzt stehen er und das BZÖ unter Verdacht, für die Novelle 750.000 Euro erhalten zu haben. Auch für Gorbach gilt die Unschuldsvermutung.

Universaldienste sind Telekommunikationsleistungen, die von Rechts wegen erbracht werden müssen. Dazu gehören einfache Sprachanschlüsse, Notrufdienste und Telefonzellen. Mit der Erbringung dieser Dienste ist die TA beauftragt. Die TA und ihre Mitbewerber müssen umsatzanteilig etwaige Verluste aus den Universaldiensten ersetzen. Dafür sollten sie in einen Universaldienstfonds einzahlen, der aber nie eingerichtet wurde. Die Abrechnungen der TA, die von ihren Konkurrenten beglichen werden müssen, wurden nicht behördlich überprüft.

A1 hatte bis 2006 jahrelang versucht, eine Zusatzgebühr für Anrufe zu 0800-Nummern aus Telefonzellen durchzusetzen. Die Regulierungsbehörde hatte auch einen entsprechenden Bescheid erlassen, der aber vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) als rechtswidrig erkannt und aufgehoben wurde. Erst mit Gorbachs Novelle der Universaldienstverordnung wurde die TA von der Pflicht befreit, Anrufe aus Telefonzellen zu 08x0-Nummer herzustellen. Damit konnte sie von den Angerufenen eine Zusatzgebühr verlangen; die sogenannte Payphone Access Charge. Diese ist so hoch, dass alle wesentlichen Anbieter von Calling Cards vom Markt verschwanden. Zwar brach auch der Umsatz an Telefonzellen ein, dieser Verlust muss aber von allen Telekommunikationsanbietern gemeinsam getragen werden. Manche TA-Konkurrenten hatten den doppelten Schaden: Das Geschäft mit Calling Cards brach weg, die an die TA zu zahlenden Kosten für den Universaldienst stiegen an. (mho)