Urteil: Wie das Bild eines roten Busses das Urheberrecht verletzt

Überraschendes Urteil in Großbritannien: Für ein Londoner Gericht verletzt ein Foto bereits dann das Urheberrecht, wenn es einem anderen nur ähnlich ist.

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Ein Gerichtsurteil aus Großbritannien verunsichert Fotografen: Danach kann ein Foto dann Urheberrechte Dritter verletzen, wenn es die geistige Schöpfung des Vorbildes kopiert. So entschied das Londoner Patentgericht, wie Amateur Photographer (AP) berichtet hat. Dabei sehen die beiden Bilder, um die es geht, keinesfalls gleich aus.

Der Fall. Anlass des Rechtsstreits war ein Foto, das der Geschäftsführer des Souvenirherstellers Temple Island Collection aufgenommen hatte. Das Bild zeigt einen Doppeldeckerbus vor dem Houses of Parliament mitsamt Big Ben. Anschließend hat er es so bearbeitet, dass der Bus in knalligem Rot vor schwarz-weißem Hintergrund erstrahlte.

Das Bild des Klägers Justin Fielder auf AP.

(Bild: screenshot/Amateur Photographer )

Später hat der Teehändler New English Teas ein Foto in ähnlichem Stil, aber aus einer anderen Perspektive veröffentlicht. Nachdem er das Bild entdeckt hatte, forderte der Souvenirhersteller einen Hinweis auf das ihm nach seiner Ansicht zustehende Urheberrecht. Das lehnte New English Teas ab. Der Souvenirhersteller klagte daraufhin am Patents County Court in London, weil das Foto wesentliche Teile seines Werks kopiere.

Das Urteil. Im Rahmen des Urteils entschied das Gericht, dass in der Übernahme des Motivs tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung zu sehen sei. Zwar seien die Bilder grundverschieden. Allerdings liege eine Reproduktion wesentlicher Elemente vor, in diesem Fall des roten Buses vor dem schwarz-weißen Hintergrund. Der Richter definiert das Klägerfoto als "photographic work". Es sei bewusst entstanden und absichtlich manipuliert worden. Diese wesentlichen Elemente seien in der zweiten Fotografie übernommen worden. Beide Fotos können Sie hier in der Urteilsschrift vergleichen.

Die Folgen. Das Amateur Photographer Magazine zitiert den Urheberrechtsexperten und Anwalt Charles Swan zum Sachverhalt. Er war von der Entscheidung des Richters überrascht und befürchtet, dass das Urteil weitere Klagen provozieren werde. Jeder, der vorhabe, den Stil eines Fotos nachzustellen, sollte das Urteil des Gerichts genau studieren, rät er. Dazu komme, dass es bisher in Großbritannien wirtschaftlich uninteressant gewesen sei, vor dem Patentgericht zu klagen. Das könnte sich nun ändern, wenn die Regierung eine Empfehlung umsetzt, nach der das Gericht auch Fälle unter einem Verhandlungswert von 5000 Pfund bearbeiten kann.

Auf Deutschland kann dieses Urteil nicht ohne weiteres übertragen werden, nicht nur wegen der unterschiedlichen Rechtsprechung. Grundsätzlich schützt das Urheberrecht weder Motive noch Ideen. Ausnahmen sind dennoch denkbar, wenn beispielsweise so viel geistige Eigenleistung in die Anordnung oder Gestaltung der Fotografie eingeflossen sind, dass sie selbst als Werk beispielsweise im Sinne eines Bühnenwerks anerkannt werden kann. Dies ist jedoch immer eine Frage der individuellen Gestaltung. (ssi)