Verleger trommeln weiter gegen die Urheberrechtsreform

Der Börsenverein des Buchhandels fürchtet einen "Nutzungsexzess" digitaler Kopien durch die Einrichtung elektronischer Leseplätze in Bibliotheken, während der Bitkom Abmahnungen von Verbraucherschützern als populistisch kritisiert.

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Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels fürchtet bei der Verabschiedung des Regierungsentwurfs zur zweiten Stufe der Urheberrechtsreform um die Zukunft des wissenschaftlichen Verlagswesens und des Bildungsstandorts Deutschland. Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis sprach am heutigen Montag in Berlin von einer "katastrophalen Entwicklung für die Verlage", falls das Gesetz in seiner jetzigen Form in Kraft trete. "Wir würden die Wissenschaftslandschaft möglicherweise in Teilen so lädieren, dass sie sich nur schwer erholen könnte", betonte der Interessensvertreter. "Wir gehen mit geistigem Eigentum in einer Weise um, die uns Sorge macht".

Besonders schwer auf dem Magen liegt den Vereinsmitgliedern, dass Bibliotheken, Museen und Archiven gemäß dem Bundeskabinett künftig beliebig viele elektronische Leseplätze aufstellen und an diesen ohne Genehmigung der Rechteinhaber geschützte Werke zugänglich machen dürfen. Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob und in welcher Zahl sich die fraglichen Werke im Bestand der jeweiligen Einrichtung befinden. Dies würde auch für gesetzliche Pflichtexemplare gelten, welche die Verlage den Bibliotheken etwa im Fall von Dissertationen kostenfrei zur Verfügung stellen müssen.

Der Justiziar des Börsenvereins, Christian Sprang, warnte vor einem "Nutzungsexzess". Für die betroffenen Werke gebe es keine nennenswerten Absatzchancen mehr. An der damit einhergehenden rechtswidrigen Enteignung von Verlagen und Urhebern könne auch die angebotene freiwillige Selbstverpflichtung der Bibliotheken nichts ändern, ihr Anschaffungsverhalten beizubehalten. Der Börsenverein will lieber selbst Lizenzverträge mit den betroffenen Einrichtungen "in einem vereinfachten Verfahren" abschließen, um eine Terminalnutzung zu "angemessenen, marktgerechten Preisen" zu ermöglichen. Damit wäre eine gesetzgeberische Regelung unnötig. 50 Prozent der Verlage hätten bereits Lizenzverträge mit den Bibliotheken und Archiven, führte Skipis aus, sodass sie in diesen Fällen "ihr unternehmerisches Interesse direkt steuern können".

Generell stemmt sich der Börsenverein gegen ein Vordringen der "Planwirtschaft" im Publikationswesen. Hierbei ist ihm vor allem der Dokumentenversand durch den subito-Lieferdienst der Bibliotheken ein Dorn im Auge. Dort gebe es eine Einheitsgebühr nach Nutzergruppen wie Studenten und Professoren, wo sich die reine Urheberrechtsgebühr pauschal auf 1,12 Euro belaufe. Diese sei unabhängig davon, ob ein Artikel aus einem großen, sich über Werbung mitfinanzierenden Verlagsangebot oder aus einer hochspeziellen Zeitschrift mit kleiner Auflage kommt. Dabei könne die Produktion letzterer das 2000fache kosten als die einer viel gefragten Publikation. Die marktgetriebenen Verlagsfunktionen würden so wegfallen, was den Bildungsbereich in den Abgrund zöge.

Vertreter des Börsenvereins beklagten auch, dass in der Bevölkerung und in der Presse kein Wissen vorhanden sei, wo die Leistung der Verlage für die Kultur und die Bildung in diesem Land liege. Fälschlicherweise würden selbst Politiker diese auf eine reine Maklerfunktion reduzieren. Am Beispiel der Deutschen Zeitschrift für Philosophie führte Sabine Cofalla vom Akademie Verlag dagegen aus, wie ein Herausgeberkreis Themen selektiert, sie mit Autoren belegt, diese beauftragt und letztlich für die Redaktion und Zusammenstellung der Artikel zu einem Heft sorgt. Damit sei ein "hohes Niveau an Qualitätssicherung" verbunden, das aber eben Kosten bereite. 80 Prozent der Umsätze der Zeitschrift stammen laut Cofalla just aus Verkäufen an Bibliotheken. Wenn diese wegfallen würden, sei bei der Philosophiereihe genauso wie bei geisteswissenschaftlichen Sonder-Editionen mit geringen Auflagen von rund 400 Exemplaren der Ofen aus.

E-Publikationen steht Cofalla ähnlich wie inzwischen auch weitere ihrer Kollegen im Prinzip offen gegenüber. Man teste gerade, ob ein Online-Angebot mit einem "Pay per View"-Vertrieb auch einzelner Artikel angenommen werde. Nur wegen der Digitalisierung könne die Verbreitung der Zeitschriften nicht kostenlos sein, da letztlich die gleiche Leistung dahinter stehe wie im analogen Bereich. Auch Skipis wetterte gegen die "Chimäre des freien Zugangs", welche die Open-Access-Bewegung verbreite. Dadurch würden allein eine funktionierende marktwirtschaftliche Wissensaustauschslandschaft und bestehende Geschäftsmodelle zerstört. Gleichzeitig gestand er aber auch ein, dass einzelne Verlage "unter Digitalisierungsgesichtspunkten" bisher "zu langsam" waren.

Während der Börsenverein quasi den Untergang des Abendlands beschwört, macht sich das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" mit einem ähnlichen Grundtenor für einen freieren Austausch von Informationen stark und hält den Regierungsentwurf ähnlich wie der Bundesrat längst noch nicht für weitgehend genug in diesem Bereich.

Über Kreuz in der Auseinandersetzung um die weitere Novelle des Urheberrechts liegen sich derweil auch der Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen (vzbv) und der IT-Branchenverband Bitkom. Letzterer hält die aktuellen Abmahnungen des vzbv gegen Musik- und Software-Anbieter für "reinen Populismus". "Differenzierte Nutzerrechte" bei Download-Plattformen, die mit Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) arbeiten, führen aus Sicht des Bitkom zu einer "breiten Angebotspalette mit vielfältigen Preismodellen im Handel mit digitalen Inhalten". Dies sei gut für den Kunden.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)