Bundesweite Demonstrationen gegen ACTA

Für den Samstag haben Gegner des Anti-Piraterie-Abkommens in rund 60 deutschen Städten Proteste angekündigt. Sie beklagen einen Mangel an demokratischer Glaubwürdigkeit und fürchten Gefahren für die Meinungsfreiheit.

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Für den Samstag haben Gegner des Anti-Piraterie-Abkommens ACTA in rund 60 deutschen Städten Proteste angekündigt. In Berlin wollen sich die Demonstranten um 13 Uhr am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus versammeln und durch Mitte ziehen. Eingeladen zu dem Protestzug hat ein breites Bündnis von über 50 Organisationen wie der Piratenpartei und dem Chaos Computer Club sowie Blogs und Einzelpersonen. Veranstaltungen sollen auch in Frankfurt, Hamburg, Köln, München oder Stuttgart stattfinden.

Die Initiativen wenden sich gegen den "undemokratisch und intransparent entstandenen" internationalen Vertrag. "ACTA ist in vielerlei Hinsicht gefährlich: es zementiert das veraltete Urheberrecht, es erschwert den Zugang zu Generika-Medikamenten in Entwicklungsländern und bedroht das freie Internet", erklärte eine Sprecherin der Berliner Organisatoren. "Wir wollen an die Demonstrationen in Polen anknüpfen und ACTA zu Fall bringen." Diese Chance bestehe jetzt ernsthaft, nachdem die Bundesregierung überraschend am Freitag die Unterzeichnung aussetzte.

In mehreren europäischen Ländern gehen die Menschen auf die Straße.

(Bild: dpa)

Der massive Widerstand in zahlreichen Ländern hat die Befürworter des Abkommens kalt erwischt. Der federführende EU-Handelskommissar Karel de Gucht behauptet zwar seit Monaten im Gegensatz zu Wissenschaftlern, dass ACTA mit dem europäischen Recht vereinbar sei und so gut wie keine Anpassungen in den Mitgliedsstaaten erfordere. Viele Abgeordnete und verstärkt auch Bürger zeigen sich davon aber unbeeindruckt.

Die EU-Kommission hat mittlerweile einen "Faktencheck" des Vertrags sowie eine "Aufklärung über Mythen" rund um die Vereinbarung veröffentlicht. Brüssel betont, dass mit ACTA keine Möglichkeit für Websperren eingeführt werde. Das Abkommen sei zudem keine europäische Variante der viel kritisierten US-Initiativen SOPA (Stop Online Piracy Act) und PIPA (Protect Intellectual Property Act). Das Avkommen solle dazu beitragen, "dass der bereits hohe Schutz des geistigen Eigentums in der EU ­ zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Europa ­ weltweit gewährleistet ist".

Tatsächlich wurden mehrere Passagen der nach außen gedrungenen Vertragsentwürfen nach massiven Einwänden in der endgültigen Fassung (PDF-Datei) getilgt, die etwa eine Einführung von Sanktionen gegen wiederholte Urheberrechtsverletzungen von Internetnutzern vorsahen. Geblieben sind allerdings schwammige Formulierungen, die sich für die viel beschworene "verstärkte Kooperation" zwischen Rechteinhabern und Internetprovidern einsetzen. Auch Providervereinigungen wie der deutsche eco-Verband laufen gegen das Abkommen Sturm.

Bürgerrechtsvereinigungen stellen den Erläuterungsversuchen der Kommission eigene "Faktensammlungen" und "Argumente" entgegen. Nach Ansicht der Bürgerrechtler hängt ACTA nach wie vor ein Mangel an demokratischer Glaubwürdigkeit an, da es etablierte internationale Foren wie die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) oder die Welthandelsorganisation WTO umgangen habe und hinter verschlossenen Türen ausgehandelt worden sei.

Die Kritiker verweisen auch darauf, dass ein eigens zu bildender Ausschuss für die Umsetzung und Auslegung des Abkommens verantwortlich sein solle. Diesem werde freigestellt, im Nachhinein umfangreiche Änderungen an der Vereinbarung vorzunehmen. (vbr)