Verbraucherministerin Aigner kritisiert ACTA

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hat der EU-Kommission schwere Versäumnisse bei der Verhandlung des umstrittenen Anti-Piraterie-Abkommens vorgeworfen, Österreich setzt dessen Ratifizierung aus.

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Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner hat der EU-Kommission schwere Versäumnisse bei der Verhandlung des umstrittenen Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) vorgeworfen. "Vor allem Brüssel hat da geschlafen", sagte die CSU-Politiker der Welt am Sonntag. Es sei bekannt, dass Netzthemen in der Öffentlichkeit viel intensiver diskutiert würden als andere Fragen. Die heftige Debatte um das Anti-Piraterie-Abkommen zeige erneut, dass die Politik mit der Bürgerbeteiligung gar nicht früh genug beginnen könne.

Aigner bringt sich spät in die Diskussion ein und war sich über die Ausmaße sowie Hintergründe des Vertrags bis vor wenigen Monaten offenbar noch nicht im Klaren. So segnete der EU-Rat die von führenden Industriestaaten weitgehend hinter verschlossenen Türen ausgehandelte Übereinkunft Mitte Dezember trotz zahlreicher Warnungen aus der Zivilgesellschaft just auf einem Treffen der Landwirtschafts- und Verbraucherminister ohne weitere Aussprache ab, an dem die Ministerin im Namen der Bundesregierung teilnahm.

Jetzt moniert Aigner, dass die EU nicht von Anfang an mehr Transparenz ermöglicht habe. Daher würden viele Dinge "in dieses völlig überbewertete Abkommen hineininterpretiert, die gar nicht drinstehen". In Berlin sei man sich weitgehend einig, dass der Vertrag praktisch keine Auswirkungen auf die deutsche Gesetzgebung habe.

Ähnlich äußerte sich Klaus-Heiner Lehne, Vorsitzender des Rechtsausschusses im EU-Parlament. Offenbar hätten viele Protestler den aktuellen Abkommenstext nicht gelesen, vermutete der CDU-Politiker im Focus. Die Bürger seien unzureichend aufgeklärt worden, da die Netzpolitik "leider immer noch extrem rückständig" sei. Es sei aber auch falsch, den Demonstranten gegen ACTA zu unterstellen, dass sie nur weiter illegal Filme und Musik aus dem Netz laden wollten.

Lehne kündigte an, dass sich die Abgeordneten bei der vor einem Monat gestarteten Beratung über die Ratifizierung des Abkommens Zeit lassen und den Text "transparent debattieren" wollten. Zugleich befürwortete der Konservative eine Prüfung der Vereinbarkeit des Vertrags mit dem EU-Recht durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Sollte sich dabei herausstellen, dass ACTA die Internetfreiheit beschneide, müsse es "vom Tisch".

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Günther Krings sieht dagegen keinen weiteren Diskussionsbedarf. Die "umfangreichen Beratungen zu ACTA sind abgeschlossen", erklärte der Rechtspolitiker gegenüber Welt Kompakt. Von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, auf deren Betreiben hin Berlin die Unterzeichnung des Übereinkommens vor Kurzem vorläufig auf Eis legte, erwarte er wieder ein Bekenntnis zu dem Vertrag. Ein Abwarten bis zur Entscheidung im EU-Parlament halte er für ein falsches Signal.

Derweil hat sich nach zahlreichen europäischen Ländern auch Österreich in die Reihe der ACTA-Skeptiker eingegliedert. Obwohl die dortige Regierung das Abkommen Ende Januar zunächst befürwortete, wollen die Abgeordneten mit dem Ratifizierungsprozess auf den im Sommer anstehenden Beschluss der Volksvertreter in Straßburg warten, meldet der ORF. Kritik kommt in der Alpenrepublik vor allem von den Sozialdemokraten. Deren Verbrauchersprecher Johann Meier fürchtet, dass die Übereinkunft in Teilen zu weit in die Grundrechte eingreife. Die konservative ÖVP beklagt dagegen Falschinformationen rund um ACTA. (vbr)