Erleuchtung wider Willen

Das schrittweise Verbot von Glühbirnen verschafft neuen Techniken einen großen Anschub – doch die Begeisterung der Entwickler ist beim Verbraucher noch nicht angekommen.

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Von
  • Boris Hänßler
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Das schrittweise Verbot von Glühbirnen verschafft neuen Techniken einen großen Anschub – doch die Begeisterung der Entwickler ist beim Verbraucher noch nicht angekommen.

Eigentlich hätte man auf einer Tagung von Leuchtmittelherstellern optimistischere Töne erwartet. Schließlich hat die Branche Produkte entwickelt, die in jedem Haushalt benötigt und sogar vom Gesetzgeber gefordert werden. Wenn da nur nicht der Kunde wäre. Für den sei die Anschaffung von Leuchtmitteln "ungefähr so attraktiv wie der Kauf von Toilettenpapier", brachte der Vertreter eines Herstellers seinen Frust zum Ausdruck.

Kein Wunder: Ein geeignetes Leuchtmittel zu finden, ist eine Wissenschaft für sich – insbesondere seit eine EU-Verordnung die beliebte Glühlampe aus dem Markt gedrängt hat. Birnen ab 60 Watt sind bereits nicht mehr erhältlich, in diesem Jahr müssen auch die restlichen klaren Glühbirnen aus den Regalen verschwinden. Lampen, die auf der Energieeffizienz-Skala von A bis G nur die Klasse C oder schlechter erreichen, sind ab 2016 verboten. Ein Teil der Halogenlampen wird den Schnitt zwar überleben, doch auch ihnen trauen Experten keine große Zukunft mehr zu.

Welche Technologie wird die Nachfolge antreten? Das Rennen ist spannend, denn sowohl klassische Energiesparlampen ("Kompaktleuchtstofflampen" im Fachjargon) als auch Leuchtdioden (LEDs) haben ihre speziellen Vor- und Nachteile.

Zunächst scheint alles für LEDs zu sprechen – Chips aus Halbleiterkristallen, die durch Strom zum Leuchten angeregt werden. Sie punkten vor allem mit einer Lebensdauer von 20000 bis 50000 Stunden. Energiesparlampen bringen es nur auf rund 15000. Bei der Effizienz liegen LEDs und Energiesparlampen in etwa gleichauf: In 6000 Stunden verursachen sie nur rund 20 Euro Stromkosten, wie Stiftung Warentest berechnet hat. Bei Glühbirnen sind es hingegen 86 Euro, bei Halogenlampen um die 60 Euro. Aber LEDs lassen sich – anders als Leuchtstofflampen – problemlos dimmen und versprechen noch ein großes Entwicklungspotenzial. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht neue LED-Innovationen aus den Forschungslabors gemeldet werden. Doch die Begeisterung der Entwickler ist bei den Kunden noch nicht angekommen. Die Hersteller klagen über einen schleppenden Absatz ihrer High-End-Lampen.

Die Zurückhaltung der Konsumenten hängt zuallererst mit dem Preis zusammen: LED-Lampen kosten bis zu 100 Euro, vergleichbare Halogenlampen sind ab zwei Euro zu bekommen. "Die LED-Lampenproduktion ist komplex und erfordert sehr enge Fertigungstoleranzen", begründet Philips-Sprecher Bernd Glaser den hohen Preis. "Die kleinste Abweichung führt unter Umständen zu unterschiedlichen Wirkungsgraden oder Farbtemperaturen." Eine aufwendige Prüfung nach der Fertigung sortiert die LEDs deshalb nach Lichtfarbe und Leistung, bevor sie weiterverarbeitet werden. Außerdem entwickeln LEDs zwar insgesamt weniger Wärme als Glühbirnen, aber diese entsteht bei der innen liegenden Elektronik, wo sie nur schlecht abgeführt werden kann. LEDs brauchen also spezielle Kühlsysteme. "Das erhöht den Aufwand bei der Herstellung, was sich ebenfalls im Preis niederschlägt", sagt Glaser.

Da die meisten Verbraucher erst einmal Ersatz für ihre vorhandenen Leuchten suchen, haben sich in den letzten Jahren sogenannte Retrofit-LED-Lampen durchgesetzt, die wie klassische Glüh- oder Halogenbirnen aussehen und in deren Sockel passen. Allerdings gilt Retrofit als Übergangslösung. Das Problem: Da alle Komponenten in einem engen Sockel untergebracht werden müssen, kann die Wärme nicht an einen externen Kühlkörper abgeleitet werden. "Daher sind der Leistung solcher Lampen Grenzen gesetzt", sagt Stefan Brückner vom Institut für Elektromechanische Konstruktionen der TU Darmstadt. Philips-Sprecher Glaser empfiehlt deshalb, gleich komplette LED-Leuchten zu kaufen. Bei denen ist das Leuchtmittel fest eingebaut und kann nicht ausgetauscht werden. Dafür ist die Elektronik genau auf die verwendeten LEDs abgestimmt. Außerdem können Kühlkörper an beliebiger Stelle des Gehäuses untergebracht werden und müssen nicht im Sockel Platz finden.

Neben der Kühltechnik benötigen LEDs einen Treiber, der die Wechselspannung von 230 Volt aus dem Netz in 24 Volt Gleichspannung umwandelt. Diese Treiber nehmen Platz weg und erzeugen zusätzliche Wärme. Das Bremer Unternehmen GT BiomeScilt hat kürzlich erstmals eine treiberlose LED-Modul vorgestellt. "Unser Modul arbeitet direkt mit 230 Volt Netz-spannung – das senkt die Herstellungskosten und sorgt für eine kompakte Bauweise", sagt Geschäftsführer Martin Hockemeyer. Details zur genauen Funktionsweise möchte er nicht nennen. Die treiberlosen LED-Module erreichen 1500 bis 3500 Lumen bei einer Mindestlebensdauer von 50000 Stunden. Theoretisch, so Hockemeyer, seien auch höhere Lumen-Werte möglich – doch dann wäre die genannte Lebensdauer nicht mehr gewährleistet.

Ebenfalls ohne Treiber kommt ein System der kalifornischen Firma Redwood Systems aus. Dabei werden LEDs über normale Ethernet-Kabel mit bis zu 20 Watt versorgt. Das bietet zwei Vorteile: Zum einen lassen sich alle Lampen zentral ansteuern. In Verbindung mit entsprechenden Sensoren kann das Licht in unbenutzten Räumen beispielsweise automatisch abgeschaltet werden. Zum anderen werden alle Lampen direkt über zentral bereitgestellten Gleichstrom versorgt – Treiber sind überflüssig. Die Technik soll nicht mehr kosten als ein konventionelles LED-Beleuchtungssystem, vorausgesetzt, eine Netzwerkverkabelung ist bereits vorhanden. Facebook hat bereits ein System mit über 1000 LEDs in seinem Datenzentrum in Oregon installiert.

Im Moment stehen Verbraucher beim LED-Kauf aber noch vor viel banaleren Problemen – sie können die Qualität der Lampen schwer einschätzen. "Die Herstellerangaben zu den Produkten sind extrem willkürlich", sagt Stefan Brückner. Zum Beispiel sagt der Lux- oder Candela-Wert, der oft angegeben ist, nichts darüber aus, wie viel Licht die Lampe insgesamt erzeugt. Auch die Angaben zur Lebensdauer sind verwirrend: Für die meisten Hersteller endet das LED-Leben definitionsgemäß, wenn die Lampen weniger als 70 Prozent ihrer ursprünglichen Leuchtkraft leisten. Einige Hersteller setzen die Schwelle allerdings erst bei 50 Prozent an. Und eine LED-Lebensdauer von 50000 Stunden nutzt wenig, wenn die Vorschaltgeräte nur halb so lange halten. Die branchenweite Kooperation Zhaga arbeitet deshalb an Standards für die Schnittstellen von LED-Modulen, um den Austausch einzelner Komponenten zu erleichtern. Beispielsweise könnte man dann – unabhängig vom Hersteller – einfach einen defekten Kühlkörper austauschen und die wertvollen LED-Module weiterbenutzen. Derzeit testet Zhaga die ersten Prototypen für standardisierte LED-Spots.