Erleuchtung wider Willen

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Selbst Profis haben Probleme, die LED-Qualität zu beurteilen. "Es gibt eine große Bandbreite in puncto Lichtqualität und Lebensdauer", sagt die Lichtplanerin Katja Winkelmann, "jeder Hersteller kocht sein eigenes Süppchen." Winkelmann setzt LEDs vor allem in Lichtrouten oder in öffentlichen Bereichen ein, etwa in Hotel-Foyers oder Konferenzräumen. Für Restaurants hat das LED-Licht laut Winkelmann immer noch eine zu schlechte Farbwiedergabe. "Die Brillanz von Halogenlampen können wir bei LEDs noch nicht feststellen", sagt sie. Das sehen private Kunden offenbar auch so: "Die europäischen Verbraucher scheinen der Lichtqualität und -farbe von Halogenlampen und Glühbirnen den Vorzug zu geben", schreibt das Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan. "Diese Faktoren stellen ein erhebliches Hindernis bei der groß angelegten Einführung von energieeffizienten Beleuchtungskörpern dar."

Gemischte Erfahrungen mit Leuchtdioden haben auch die Stadtwerke Hannover gemacht. Im Stadtteil List testen sie seit 2009 verschiedene LED-Straßenlaternen. Jörg Bressem, der das Projekt betreut, bemängelt vor allem die Kosten: Mit einer Lebensdauer von 50000 Stunden – das entspricht etwa 12 Jahren – halten LEDs zwar länger als die herkömmlichen orange leuchtenden Natriumdampflampen (16000 Stunden), doch dafür kosten sie auch viel mehr. Außerdem seien seit Projektbeginn bereits fünf von 74 Leuchten ausgefallen. Bei einem Defekt muss mitunter die komplette Leuchte ausgewechselt werden. Vorteile gibt es jedoch auch: Das Licht ist besser gerichtet und belästigt die Anwohner weniger. Bressems Fazit: Geld könne man mit LEDs noch nicht sparen, wohl aber Energie.

Im Haushaltsbereich raten die Verbraucherzentralen derzeit insbesondere wegen der hohen Kosten der LEDs eher zu klassischen Energiesparlampen – trotz ihres schlechten Rufs. "Leider haben viele Kunden noch die veraltete Vorstellung, dass die Lampen weniger hell leuchten oder ein kaltes Licht abgeben", sagt Birgit Holfert, Energieberaterin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Richtig ist: Energiesparlampen brauchen ein paar Sekunden, bis sie ihre vollständige Helligkeit erreicht haben: Bei Stromzufuhr werden in der Lampe Quecksilberatome angeregt; Leuchtstoffe auf den Glaswänden wandeln deren Strahlung dann in sichtbares Licht um. Dieser Prozess braucht Zeit. Die Hersteller konnten diese Phase in den letzten Jahren aber bis auf wenige Sekunden verkürzen. Längst sind diese Kompaktleuchtstofflampen außerdem in praktisch allen Lichttemperaturen erhältlich.

Bahnbrechende Weiterentwicklungen sind bei diesen Lampen allerdings nicht mehr zu erwarten. Ihre Effizienz gilt als fast ausgereizt. "Wir liegen im Moment bei 55 bis 65 Lumen pro Watt", sagt Carsten Setzer, Leiter der Entwicklung General Lighting bei Osram. "75 Lumen pro Watt sind noch drin – nur fallen die Lampen dann größer aus." Zum Vergleich: LED-Lampen erreichen 80 Lumen pro Watt (lm/W). Ein großer Kritikpunkt der Kompaktleuchtstofflampe ist das in ihr enthaltene Quecksilber, zu dem es keine Alternative gibt. Die EU-Richtlinie zur Beschränkung gefährlicher Stoffe (RoHS) schreibt vor, dass derzeit jede Lampe höchstens fünf Milligramm Quecksilber enthalten darf, ab 2013 nur noch die Hälfte. Osram gibt an, etwa zwei Milligramm pro Lampe zu verwenden – und den Anteil weiter zu reduzieren. "Wir halten ein Milligramm für die absolute Untergrenze", sagt Setzer. Aber selbst wenn es ein, zwei Milligramm mehr sind: Der Naturschutzbund weist darauf hin, dass konventionelle Glüh- und Halogenlampen allein durch ihren erhöhten Energiebedarf mehr Schadstoffe freisetzen, weil bei der Verstromung von Kohle ebenfalls Quecksilber in die Umwelt gelangt.

Und dann gibt es da noch die organischen Leuchtdioden (OLEDs), denen schon seit Jahren das Potenzial nachgesagt wird, die gesamte Hausbeleuchtung zu revolutionieren. Mit den Folien aus halbleitendem organischen Material ließen sich etwa leuchtende Tapeten oder Fensterscheiben herstellen. Philips und Osram haben bereits OLED-Leuchten auf den Markt gebracht. Philips setzt bei der Leuchte "Lumiblade Living Shapes" auf eine Art Baukastensystem, bestehend aus 1,8 Millimeter dünnen Panels in unterschiedlichen Formen, die sich zu beliebigen Mustern zusammenlegen lassen. Osrams "Orbeos" besitzt eine runde Leuchtfläche mit 80 Millimetern Durchmesser und ist 2,1 Millimeter dünn. Mit 25 lm/W liegt die Effizienz leicht über der einer Halogenlampe. Doch da das Licht sowohl bei Philips als auch bei Osram schwach ausfällt, sieht man nachts zwar die Panels selbst, aber sonst eigentlich nichts. Teuer sind sie trotzdem: Ein Orbeos-Modul kostet etwa 300 Euro, ein Philips-Panel je nach Größe zwischen 80 und 400 Euro.

Ein weiteres Manko: Die Lebensdauer der OLED-Lampen liegt nur bei rund 5000 Stunden. Vor allem das für die blauen Lichtanteile zuständige Molekül macht den Herstellern Sorgen, weil es schnell altert. Das Forschungsprojekt OLED100 konnte Ende 2011 immerhin schon OLEDs mit einer Fläche von fast einem Quadratmeter, einer Effizienz von 60 lm/W und einer Lebensdauer von mehreren 10000 Stunden präsentieren. Allerdings waren diese Eigenschaften nicht in einer Leuchte vereint, sondern in drei verschiedenen. Und auch der eigentliche Charme von OLEDs, dass sich aus ihnen nämlich biegsame Leuchtflächen herstellen lassen, zeigt sich bisher nur im Labor. Die aktuellen Serienprodukte sind starr, weil sich die empfindlichen Moleküle durch eine Glasplatte besser schützen lassen als durch eine Folie. Bis die Vision von leuchtenden Vorhängen Wirklichkeit wird, müssen die Hersteller vor allem einen Weg finden, die Labormuster preiswert und in Serie produzieren zu können.

Dass aber schon mit herkömmlichen LEDs ganz neue Leuchtkonzepte möglich sind, zeigt das Projekt "Virtual Sky" am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. Die Forscher haben eine 34 Quadratmeter große Deckenfläche mit 34560 LEDs in den Farben Rot, Grün, Blau und Weiß bestückt. Dadurch lassen sich, wie mit einem Display, über 16 Millionen Farben darstellen. Eine Diffusionsfolie sorgt für ein homogenes Licht.

So kann beispielsweise die Lichtstimmung eines Himmels mit vorüberziehenden Wolken simuliert werden. Die Lichtänderungen sind so subtil, dass sie der Benutzer zwar wahrnimmt, sich aber nicht von ihnen abgelenkt fühlt. Eine Vorstudie zeigte bereits, dass Nutzer eine solche dynamische Lichtführung als sehr angenehm empfinden. Großflächige Leuchten, die ein individuelles Lichtprogramm abspielen – für solche Lösungen werden Kunden möglicherweise mehr Leidenschaft entwickeln als für Toilettenpapier. (bsc)