Schwarz-rote Koalition will Datenschutz auf den Prüfstand stellen

Union und SPD haben sich in der Koalitionsvereinbarung zur Bildung einer neuen Bundesregierung geeinigt, zur Terrorismusbekämpfung den Informationsaustausch zwischen Polizei und Geheimdiensten zu verbessern und dem BKA Präventivbefugnisse einzuräumen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 365 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Union und SPD haben ihre Leitlinien zur Innenpolitik im Rahmen der Koalitionsvereinbarung offiziell abgesegnet. Unter dem Titel "Deutschland – ein sicheres und freies Land" wird die Bekämpfung des Terrorismus in dem heise online vorliegenden Papier weiterhin als "eine sehr wesentliche Aufgabe aller deutschen Sicherheitsbehörden" bezeichnet. Zudem wird ein "Anspruch" der Bürger postuliert, "vor Kriminalität geschützt zu werden". Dem haben sich nach Ansicht der Innenexperten von Schwarz-Rot andere verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrechte unterzuordnen. Es gelte zu überprüfen, heißt es in dem achtseitigen Vertragsdokument, "inwieweit rechtliche Regelungen etwa des Datenschutzes einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus und der Kriminalität entgegenstehen" und die an sich "bewährte Sicherheitsarchitektur" weiterentwickelt werden müsse.

Konkret wollen die Koalitionspartner "auf der Basis der Vorarbeiten der Innenministerkonferenz schnellstmöglich eine Antiterrordatei schaffen" und den Informationsaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus verbessern. Die Einrichtung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums in Berlin sei dabei nur ein erster, wenn auch wichtiger Schritt gewesen. So soll das Bundeskriminalamt (BKA) endlich die von seiner Führung lange geforderten "Präventivbefugnisse" zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus erhalten und damit stärker mit Geheimdienstmethoden agieren dürfen. Die grundsätzliche Trennung zwischen polizeilichen und militärischen Aufgaben soll dagegen aufrecht erhalten werden. Die Union konnte sich demnach mit ihrer Forderung zum Einsatz der Bundeswehr auch im Inneren nicht durchsetzen.

Eher schwammig hört sich der Fahrplan zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben in Deutschland (BOS) mit Hilfe des Digitalfunks an. Hier hatten sich Union und SPD in der vergangenen Legislaturperiode schon allein bei der Einrichtung einer gemeinsamen Betreiberanstalt von Bund und Ländern gehörig gezankt. Die Einführung wolle man in Abstimmung mit den Ländern "im Rahmen des gewählten Betreibermodells vorantreiben", heißt es in der Vereinbarung vorsichtig. Ziel müsse es sein, möglichst rasch zu einer flächendeckenden Versorgung, einem einheitlichen Versorgungsstandard und einer gerechten Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern zu kommen.

Fortzusetzen gelobt Schwarz-Rot den Kurs des ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily bei der Aufrüstung von Ausweisdokumenten mit biometrischen Daten. "Wir wollen biometrische Verfahren verstärkt einsetzen", halten die Innenpolitiker fest, und zählen im Einzelnen Pässe, Personalausweise, Visa und Aufenthaltstitel auf. Pass- und Personalausweisgesetz sollen entsprechend novelliert werden. Die Koalitionspartner versprechen weiter: "Wir werden unsere lebenswichtigen Informationsinfrastrukturen schützen und dazu den Nationalen Plan zum Schutz der Infrastrukturen umsetzen." Ferner wollen sie sich auf EU-Ebene für den schnellen Ausbau des Visa sowie des Schengener Informationssystems einsetzen. Datenschützer sehen von diesen Datenbanken allerdings ein enormes neues Überwachungspotenzial ausgehen.

Trotz dem insgesamt wenig bürgerrechtsfreundlichen Kurs haben die Vertreter von Union und SPD noch eine Klausel in die Vereinbarung eingebaut, mit der sie "die Bürgergesellschaft stärken" wollen. In Erwägung gezogen werden soll demnach "die Einführung von Elementen der direkten Demokratie". Auf jeden Fall zu verbessern sei "die politische Bildung", um eine aktive Beteiligung der Menschen am gesellschaftlichen und staatlichen Leben zu ermöglichen.

Zudem kündigen die noch nicht ganz sattelfesten Koalitionspartner an, den mit "Deutschland online" (ehemals: BundOnline 2005) begonnenen Weg fortzusetzen "und staatliche Zusammenarbeit auf der Basis der Informationstechnologie (IT) neu ordnen" zu wollen, "um damit gezielt Bürokratiekosten zu reduzieren." Durch die Einführung zentraler und IT-gestützter Verfahren bei den wichtigsten Dienstleistungen des Staates für Unternehmen und Bürger soll Deutschland im Bereich E-Government "eine führende Rolle für eine innovative und Kosten sparende Verwaltung übernehmen." Die IT-Strategie des Bundes und Vorsorgemaßnahmen im Bereich IT-Sicherheit sollen durch das Bundesinnenministerium weiterentwickelt werden. (Stefan Krempl) / (jk)