Schwere Bedenken gegen geplante Streitregelung in EU-Patentfragen

Der wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments hält den umstrittenen Entwurf für ein European Patent Litigation Agreement (EPLA) nicht mit dem Gemeinschaftsrecht für vereinbar.

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Der wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments hält den umstrittenen Entwurf für ein European Patent Litigation Agreement (EPLA) für nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Mit dem Streitregelungsübereinkommen soll auf Vorschlag des Europäischen Patentamtes (EPA) eine zentrale Patentgerichtsbarkeit für die Mitglieder der Europäischen Patentorganisation (EPO) geschaffen werden. Laut einer ersten rechtlichen Einschätzung (PDF-Datei) des wissenschaftlichen Dienstes, die das auf Fragen des geistigen Eigentums spezialisierte Fachblog ipeg veröffentlich hat, käme es dabei aber zu gravierenden Differenzen mit dem Gemeinschaftsrecht. Als Problem sehen es die Forscher vor allem an, dass sich dem EPO zahlreiche Länder angeschlossen haben, die nicht der EU angehören. Andererseits sind nicht alle EU-Staaten in der EPO vertreten. Insgesamt würde so die "einheitliche und konsistente Anwendung der Gemeinschaftsregeln" in juristischen Auseinandersetzungen beeinträchtigt.

Konkret würde sich das EPLA insbesondere mit der EU-Richtlinie über "Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" von 2004 reiben, hält der wissenschaftliche Dienst fest. Einzelne Teile des EPLA würden Angelegenheiten behandeln, die mit dieser so genannten "Durchsetzungsrichtlinie" bereits geregelt seien. Zudem gebe es mehrere Widersprüche zwischen beiden Rechtsinstrumenten. So verlange es die Direktive etwa, dass die Durchsetzung von Patentrechten "fair und ausgewogen sowie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein oder unvernünftige Zeitperioden oder unerwünschte Verzögerungen vermeiden soll". Ferner seien keine Handelsbarrieren aufzurichten und Absicherungen gegen Missbrauch zu treffen. Vergleichbare Anforderungen weise das EPLA nicht auf. Andererseits gebe die Richtlinie den Rechtehaltern mehr Befugnisse als das geplante Streitregelungsübereinkommen, etwa Einsicht in die näheren Umstände einer Rechtsverletzung zu verlangen.

Die Einschätzung der Fachabteilung moniert weiter, dass der EPLA-Entwurf dem vorgesehenen Europäischen Patentgerichtshof Entscheidungsgewalt über Fragen gewähre, die eigentlich unter die Kompetenzen nationaler Gerichte der Mitgliedsstaaten fallen. Die geplante neue übergeordnete Instanz würde deren Rolle übernehmen, was an sich im Sinne einer richtigen Funktionsweise des Systems bereits problematisch sei. Gleichzeitig wäre der neue Patentgerichtshof nicht an Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht gebunden. Diese würden etwa umfassen, dass der Rechtsverletzer möglichst in seinem Heimatland verklagt werden sollte. Zudem müssten Gerichtsentscheidungen aus Ländern, die nicht in der EU sind, aber der EPO angehören, in Mitgliedsstaaten anerkannt werden. Artikel 98 des EPLA-Vorschlags über die Streitschlichtung vor einem einzurichtenden Verwaltungskomitee beziehungsweise dem Internationalen Gerichtshof würde zudem offen gegen Artikel 292 des Gemeinschaftsvertrags verstoßen, wonach die Mitgliedsstaaten keine anderen Wege der Streitschlichtung jenseits der vom EU-Recht vorgegebenen wählen dürfen.

Das EU-Parlament selbst hatte im Herbst "erhebliche Verbesserungen" am EPLA gefordert und den wissenschaftlichen Dienst mit der juristischen Untersuchung beauftragt. Mittelstandsinitiativen und Softwarepatentgegner lehnen das Übereinkommen vehement ab. Sie fürchten insbesondere, dass damit die weitgehende Vergabepraxis des EPA offiziell anerkannt würde und sich eine breite Hintertür für die Durchsetzung gewerblicher Schutzansprüche auf Computerprogramme öffne. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte sich dagegen frühzeitig für das EPLA ausgesprochen und dieses auch mehrfach zu einem Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erklärt. Darüber hinaus liebäugelt EU-Binnenmarktskommissar Charlie McCreevy mit diesem Vorstoß zur Streitregelung. Die EU-Minister konnten sich wegen Bedenken, die vor allem Frankreich vorbrachte, im Herbst aber nicht auf einen gemeinsamen Kurs in Richtung EPLA einigen.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)