FIfF: Der Datenschutz ist zu oft nur ein Lippenbekenntnis

Sowohl ihren Entwicklern als auch der Gesellschaft sind die Risiken und Gestaltungsspielräume der allgegenwärtigen Computer-Vernetzung nicht ausreichend klar.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 42 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Versteckte Computer -- Unkontrollierbare Vernetzung: Unter diesem Motto startete gestern an der FH München) die 21. Jahrestagung des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF). Die Vereinigung empfiehlt sowohl Entwicklern als auch der Öffentlichkeit, ernsthafter über Risiken und Gestaltungsspielräume der allgegenwärtigen Vernetzung kleiner und kleinster Computer (Ubiquitous Computing) nachzudenken. Neue Technik bedeute soziale Umwälzung, und die dürfe man weder den Entwicklern noch Lobbygruppen oder dem Kapital alleine überlassen. "Es sollte Leute geben, die dagegen denken," sagte der Bremer Informatiker und FIfF-Vorsitzende Hans-Jörg Kreowski.

So mancher Forschungsentwurf für den Einsatz von miniaturisierten, versteckten Computern und deren unkontrollierbarer Vernetzung sei geradezu grauenhaft, sagte Eva Hornecker von der Universität von Sussex: "Beim 'Bathroom Sound Monitoring' soll etwa anahnd einer Analyse der Geräusche im Badezimmer überwacht werden, ob alte Leute im Bad verunglücken," so Hornecker. Mit einem einzigen Satz zu "möglichen datenschutzrechtliche Bedenken" werde dabei das Thema gesellschaftlicher Konsequenzen abgehakt.

Eine Ursache für den obligatorischen Feigenblatt-Hinweis zum Datenschutz liegt dabei auch an der unfairen Verteilung der Forschungsgelder, warnte Kreowski: "Für die kritische Analyse dessen, was technisch neu gemacht wird, wird dann gerade mal ein Prozent [der gesamten Mittel] aufgewandt". Aus Forschungsprogrammen wie dem Ambient-Computing-Programm der EU spricht nach Ansicht der kritischen Informatiker die reine, von sozialen Folgen losgelöste Technikfaszination. Darin enthaltene Formulierungen wie "der Computer kennt alle ihre Wünsche" bereiten den FIfF-Mitgliedern erhebliche Bauchschmerzen. Stattdessen wollen sie Technik-Entwickler für mögliche Gestaltungsspielräume sensibilisieren; mit der Erforschung solcher Zusammenhänge beschäftigt sich allerdings auch das Projekt Taucis des BMBF.

Beim aktuellen Beispiel biometrischer Reisepass, so FIfF-Sprecher Klaus Köhler vom Gastgeber FH München, habe man immerhin eine Kleinigkeit verbessert: zur Aktivierung der RFID-Verbindung muss der Reisepass gezielt über einen optischen Scanner gezogen werden. Ingesamt raten die FIfFler, beim RFID-Einsatz einen klaren Trennungstrich zwischen personenbezogenen Daten und der Waren-Logistik zu machen. Beim Wearable Computing, sagte Ingrid Rügge von der Uni Bremen, solle man beispielsweise auch darüber nachdenken, ob und wie Nutzer den am Körper getragenen Gerätepark nach ihren Wünschen abschalten können -- das betrifft schlichtweg auch Fragen der guten Bedienbarkeit. Noch fehlt es aber an solchen "Ausschaltern", sagt FIfF-Redakteur Stefan Hügel.

Neben den versteckten Computern und der unkontrollierbaren Vernetzung widmete sich die FIfF-Tagung auch noch zwei weiteren aktuellen Themen, der mit fast schon religiösem Eifer geführten Debatte um das geistige Eigentum und der Software-Entwicklung für militärischer Zwecke, einem der Ur-Themen des FIfF. Dazu berichtete der ehemals für die SAP-Einführung bei der Bundeswehr mitverantwortliche Major Florian Pfaff. Er sprach über das von ihm im Sommer vor dem Bundesverwaltungsgericht erstrittene Urteil, das seine Befehlsverweigerung im Zusammenhang mit dem Irakkrieg für rechtens erklärte. Pfaff hatte argumentiert, dass er keine Unterstützung für einen offensichtlich völkerrechts- und verfassungsrechtswidrigen Bundeswehreinsatz leisten könne. Empört hatte ihn besonders, dass einzelne Vorgesetzte ihn aufgefordert hatten, seine Befehle nicht mehr in Frage zu stellen. Das sieht Pfaff anders: "Kein Soldat darf einfach sagen, ich prüfe das nicht mehr. Wer sich rechtsblind macht, macht sich strafbar." (Monika Ermert) / (ciw)