Umfrage: Softwarepatente lösen Existenzängste im Mittelstand aus

Die Kampagne NoSoftwarePatents.com hat eine Teilauswertung der umstrittenen Umfrage des Wirtschaftsministeriums zu Softwarepatenten vorgelegt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 449 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.

Die Kampagne NoSoftwarePatents.com hat am heutigen Donnerstag Ergebnisse einer Teilauswertung (PDF) der umstrittenen Umfrage zu Softwarepatenten vorgelegt, die das Bundeswirtschaftsministerium ursprünglich initiierte. Demnach herrschen insbesondere im Mittelstand große Ängste vor einer Flut an Trivialpatenten im Zusammenhang mit der geplanten EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" und vor den potenziellen Folgen für den Wettbewerb. So artikulierten 61,2 Prozent der Einsender ausdrücklich Sorgen über Gefährdung ihrer Existenz durch Softwarepatente. Hauptsächlich fürchten die Teilnehmer die hohen Kosten von Patentrechtsstreitigkeiten und die Folgen eines gerichtlich verfügten Verbots zur Vermarktung von Produkten nebst etwaiger Schadensersatzansprüche. Manche halten bereits bei einer Klageandrohung den Gang zum Insolvenzrichter für erforderlich.

Die Umfrageteilnehmer, die sich nach eigenen Angaben zu gut 60 Prozent "gut" oder "sehr gut" mit dem heißen Eisen der Wirtschafts- und Rechtspolitik auskennen und teils sogar die Nummern besonders bedrohlich wirkender europäischer Patente nannten, sehen vor allem ihre normale Entwicklerpraxis gefährdet. Angesichts der Breite, Vielzahl und Verklausulierung der bereits vom Europäischen Patentamt auf Grund einer Dehnung der rechtlichen Voraussetzungen gewährten Softwarepatente rechnen viele damit, mögliche Verletzungen von Schutzansprüchen mit den vorhandenen Ressourcen und bestehenden Kenntnissen nicht hinreichend ausschließen zu können. Eine solche Patentrecherche trauen sich nur 6,3 Prozent der Einsender qualitativ zu. Über die Hälfte weist darauf hin, rein quantitativ überfordert zu sein. 88,6 Prozent der Einsender gehen davon aus, dass die "Verletzung" von Softwarepatenten im Allgemeinen eine "unverschuldete Konsequenz eigener Entwicklungstätigkeit" sei.

Auf Grund der mit Softwarepatenten verbundenen Mehrkosten bei der Recherche, der Anlage eigener Patentportfolios zur Verteidigung, bei Rückstellungen für Streitigkeiten oder durch Lizenzgebühren rechnen 94 Prozent der Teilnehmer mit einer Einschränkung des Wettbewerbs im Softwaremarkt. Die Notwendigkeit für eine Richtlinie sehen die Teilnehmer kaum: Nur 7,6 Prozent erwarten sich Vorteile im Wettbewerb von einer europaweiten Harmonisierung. Ein großer Teil knüpft dies aber ausdrücklich daran, dass damit der gegenwärtigen Praxis des Patentwesens Einhalt geboten würde.

Für Günter Krings, den Experten für Fragen des geistigen Eigentums der Unionsfraktion im Bundestags, machen die Ergebnisse deutlich, dass "Softwarepatente Gift für die wirtschaftliche Entwicklung der mittelständischen IT-Wirtschaft sind". Nach der Auswertung eines Teils der Fragebögen lasse sich auch erahnen, warum das Wirtschaftsministerium als Auftraggeber der Umfrage und der damit verbundenen Studie eine Veröffentlichung der Resultate abgelehnt habe. Schließlich werde damit der Regierungslinie "Pro Softwarepatente" die rote Karte gezeigt.

Im Hause von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement erhoffte man sich zunächst Aufschlüsse durch die Studie insbesondere über die Auswirkungen von Softwarepatenten auf die Interoperabilität im Computersektor. Gezielt wollten die Beamten damit auch auf die laufenden Verhandlungen über die Brüsseler Richtlinie Einfluss nehmen. Nach Kritik des Branchenverbands Bitkom, der sich unter anderem an der "tendenziösen Wortwahl" der Umfrage rieb, distanzierte sich der damalige Staatssekretär Alfred Tacke deutlich von dem Vorhaben. Er sorgte dafür, dass die Ergebnisse der Studie, über deren Kosten nichts bekannt ist, rasch in der Versenkung verschwanden. Daraufhin sprang NoSoftwarePatents.com in die Bresche und bat die Umfrageteilnehmer, der Kampagne die Fragebögen zur Auswertung zu überlassen.

Von den gut 1400 ursprünglichen Teilnehmern folgten 330, also etwa 25 Prozent, dem Angebot der Kampagne. 52,7 Prozent davon gaben an, ein bis vier Mitarbeiter zu beschäftigen. 11 Prozent haben mehr als 50, einzelne sogar mehr als 1000 Angestellte. Florian Müller, der Leiter der Initiative, will mit dem Material nun vor allem deutsche EU-Parlamentarier für die anstehende 2. Lesung der Richtlinie in den nächsten Monaten munitionieren. Eine Auswertung aller Einsendungen durch die Bundesregierung wäre ihm zwar lieber gewesen, aber mit gravierenden Abweichungen von den jetzigen Erkenntnissen sei seiner Ansicht nach nicht zu rechnen. Das Wirtschaftsministerium selbst versucht momentan, die erneut deutlich zu Tage getretenen Sorgen der Mittelständler herunterzuspielen.

Eine Neuausrichtung in Sachen Softwarepatenten bahnt sich derweil bei der Gesellschaft für Informatik (GI) an, deren Führung bislang Computerprogramme als Teil der Technik ansah und diese daher von einem Patentschutz nicht ausgeschlossen sehen wollte. Das kürzlich neu gewählte Präsidium stellte aber jüngst fest, "dass die GI-Stellungnahme zur Patentierung von Software aus dem Jahr 2001 der Überarbeitung bedarf und sich bereits in Überarbeitung befindet". Als Vorbild sieht die Vereinsspitze dabei den einstimmigen Beschluss des Bundestags, mit dem die Parlamentarier die Patentierbarkeit von Software "effektiv begrenzen" wollen. Bis Ende März soll ein überarbeitetes Papier vorliegen.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)