Lobby gegen Softwarepatente erhält Verstärkung

Die Mittelstandsvereinigung patentfrei.de wird in ihrem Kampf gegen triviale gewerbliche Schutzrechte im Computerbereich künftig vom Open Source Automation Development Lab und der Organisation patentverein.de gestützt.

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Die Mittelstandsvereinigung patentfrei.de wird in ihrem Kampf gegen triviale gewerbliche Schutzrechte im Computerbereich künftig vom Open Source Automation Development Lab (OSADL) und der Organisation patentverein.de unterstützt. Gemeinsam fordern die Interessensvertretungen aktuell Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und die Bundesregierung im Vorfeld des EU-Wettbewerbsrates am kommenden Montag in Brüssel auf, dem umstrittenen European Patent Litigation Agreement (EPLA) die Unterstützung zu entziehen. Das geplante europäische Streitregelungssystem in Patentfragen weise massive Mängel zum Schaden kleiner und mittlerer Unternehmen auf und würde zur leichteren rechtlichen Durchsetzbarkeit von Softwarepatenten führen.

Bei beiden neu zu der selbst etwa 650 Firmenmitglieder zählenden Initiative patentfrei.de hinzu gestoßenen Vereinigungen handelt es sich um mittelständische Zusammenschlüsse rund um die Automatisierungs- und Motortechnik. Das OSADL hat sich zum Ziel gesetzt, den Einsatz von Open-Source-Software bei der Maschinen- und Anlagensteuerung voranzutreiben. Laut dem Geschäftsführer des Labors, Carsten Emde, ist eine verlässliche Recherche über mögliche Schutzrechte Dritter bei Software in einem vertretbaren Kostenrahmen praktisch ausgeschlossen. Da bestimmte Softwarekonzepte unabhängig von der Branche in zahlreichen Programmen vorkommen könnten, haben Softwarepatente Emde zufolge das Potenzial, "die gesamte Menschheit an der effektiven Nutzung des Computers zu hindern". Das OSADL fordert daher "die vollständige Patentfreiheit im Softwarebereich". Nur so könne die freie Entwicklung von Software und speziell von Open-Source-Programmen erfolgreich fortgesetzt werden.

Der Industriefachverband patentverein.de bekräftigt ebenfalls die Forderungen von patentfrei.de nach einem effektiven Ausschluss von Software von der Patentierbarkei. Heiner Flocke, Vorsitzender des Vereins, beklagt allgemein am gegenwärtigen System, dass 90 Prozent der gewährten Patente auf 10 Prozent der Anmelder entfallen. Dies sei ein Missstand, den das Patentamt erkenne, aber nicht verhindere. Der innovative Mittelstand sei so bereits durch einen bereits für klassische Technikpatente möglichen Missbrauch des Patentwesens bedroht. Eine Legitimierung von Softwarepatenten, bei denen es sich um eine abstrakten, von überlasteten Prüfern kaum zu überblickenden Bereich handle, würde diese bestehende Angriffsfläche schnell duplizieren.

Das EPLA erachtet Flocke daher als besondere Bedrohung, da damit geltende Absicherungen in juristischen Patentauseinandersetzungen zunichte gemacht werden könnten: "Der Mittelstand hat das Recht, in diesen zentralen Fragen gehört zu werden", pocht der Vereinsvorsitzende auf eine angemessene nationale Verfahrensregelung. "Und er muss sich auf eine unabhängige Rechtsprechung verlassen können, die dann auch die Maßstäbe für Erfindungshöhe gemäß dem Patentgesetz zurecht rückt."

Just diese Grundsätze sieht patentfrei.de mit der Schaffung einer neuen übergeordneten Gerichtsbarkeit durch das vom Europäischen Patentamt vorgeschlagene Streitregelungsübereinkommen in Gefahr. "Nach unserer Auffassung sind die von der Bundesregierung propagierten Pläne für das zentrale Streitregelungssystem EPLA einseitig auf die Interessen der Großindustrie ausgerichtet", moniert Johannes Sommer, Hamburger Vertreter der Initiative. Der aktuelle Entwurf missachte durch die Verflechtung mit der Europäischen Patentorganisation (EPO) zudem grundlegende demokratische Prinzipien wie die der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Richter.

"Nicht nur durch die Erhöhung der Kosten für Rechtsstreitigkeiten sind kleine und mittlere Unternehmen benachteiligt", ärgert sich Sommer. "Durch die abzusehenden Legitimierung von Softwarepatenten im EPLA-Szenario erwarten wir zudem generell existenzbedrohende Auswirkungen für kleine und mittelständische Unternehmen." Ferner stünde das Übereinkommen nach einer aktuellen Einschätzung des juristischen Dienstes des EU-Parlaments auch in mehrfacher Hinsicht mit dem EU-Gemeinschaftsrecht in Konflikt.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)