GDC: Inafune kritisiert japanische Spieleindustrie

Es passiert nicht häufig, dass Japaner ihre Landsleute öffentlich kritisieren. Mega-Man-Entwickler Keiji Inafune ist allerdings so traurig und wütend über den Zustand seiner heimischen Spieleindustrie, dass er keinen anderen Ausweg sieht.

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Ein neuer Superheld solls richten: Keiji Inafune will Japan wieder siegen sehen.

Betonte die Leitigkeit des Seins: Mario-Direktor Koichi Hayashida.

"Wir haben den 'Willen zum Sieg' verloren. Wenn wir so weitermachen, heißt es bald 'Game Over Japan'." Keiji Inafune ist sichtlich erregt. Er weiß keinen anderen Ausweg als das zu tun, was in Japan als absoluter Tabubruch gilt: Er kritisiert auf der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco den Zustand der eigenen Industrie. Einst gehörten japanische Spieleentwickler zur Weltspitze. "Wir waren das Gewinner-Team. Heute hat uns sogar Korea überholt. Das gilt nicht nur für unsere Spieleindustrie, sondern für ganz viele Bereiche. Japan fällt zurück." Japans Spieleentwickler würden dem Westen hinterherlaufen. "Wir machen es uns allzu leicht, wenn wir nur bekannte Marken aufwärmen, ohne sie inhaltlich zu erneuern. Wir müssen wieder Risiken eingehen, den harten Weg wählen", fordert Inafune.

Er nennt auch auf Nachfragen keine Namen. "Ich will mir keine Feinde machen." Doch jeder weiß, welche Serien er meint. Dazu muss man nur die Wertungen aktueller Folgen von Serien wie Sonic, Final Fantasy oder Katamari Damacy mit denen aus ihren Anfangsjahren vergleichen. "Die ursprünglichen Schöpfer haben diese Marken aufgebaut. Ihre Nachfolger wärmen sie heute nur noch auf, ohne etwas Neues zu kreieren oder Risiken einzugehen", klagt Inafune an. Doch schuld seien nicht die Entwickler, sondern die Manager und Entscheidungsträger in den Vorstandsetagen der großen Publisher, die jedwede kreative Initiative abwürgen würden, wenn sie nicht in ihren Plan passen.

Inafune hätte es sich leicht machen können. Er war ein gut bezahlter Entwickler bei Capcom, der 900 Mitarbeiter unter sich hatte. Doch nachdem er Helden wie Mega Man aus der Taufe gehoben und Resident Evil zu großen Erfolgen geführt hatte, fühlte er sich von den Managern in seiner Kreativität zu sehr eingeschränkt. Im vergangenen Jahr verließ er Capcom, gründete sein eigenes Studio Comcept. Hier muss er sich von niemanden eine Genehmigung holen, er ist sein eigener Chef. "Ich werde Japan einen neuen Helden geben. Aber er wird nicht Mega Man heißen. Dessen Rechte liegen bei Capcom", verspricht er seinen Fans.

Der einzige japanische Hersteller, der weiterhin zur Weltspitze gehört, ist laut Inafune Nintendo. Just eine Stunde zuvor hatte sein Kollege Koichi Hayashida den Entwicklungsprozess seines Spiels Super Mario 3D Land erläutert. Der 3D-Titel hatte im jüngsten Weihnachtsgeschäft erheblichen Beitrag am Verkaufserfolg von Nintendos Mobilkonsole 3DS.

Ziel war es laut Hayashida von Anfang an, die stereoskopische 3D-Ansicht zu nutzen, um Sprünge auf Blöcke im dreidimensionalen Raum zu vereinfachen. Die stereoskopische Ansicht verrät die genaue Position eines Blocks. So lassen sich Spieler in der monoskopischen Ansicht optisch täuschen, indem man größere Blöcke weiter hinten platziert. Hayashida griff zudem auf optische Täuschungen zurück, die an Bilder von MC Escher erinnern. So konnte der Spieler selbst die Vorzüge des 3D-Displays erfahren, indem es die Täuschung aufdeckte.

Hayashida gab darauf Acht, dass die 3D-Ansicht nicht gestört wurde. Er legte die Bildschirm-Referenzebene weit nach hinten, weg von der Kamera auf die Höhe der Mario-Spielfigur und sorgte dafür, dass keine Objekte nahe der Kamera platziert wurden, weil diese Mario hätten halb verdecken können, so dass es zu einer optischen Anomalie gekommen wäre. Außerdem stauchte sein Team die dreidimensionale Tiefe zusammen, damit die Ansicht weniger verschwommen aussieht, wenn man den 3D-Bildschirm nicht ruhig hält.

Sein Mentor Shigeru Miyamoto hatte die Regel vorgegeben, dass man dem Spieler freistellen sollte, wie er Super Mario spielen will. Deshalb führte man Elemente ein, die das Überspringen zu schwieriger Abschnitte erlaubte. Bei einem Test mit seinem sechsjährigen Sohn stellte er fest, dass dieser erst die Knöpfe nicht richtig bediente und sich später nur daran erfreute, die Münzen aufzusammeln. Dies bestätigte ihn in der Auffassung, dass es egal ist, wie ein Spieler spielt, Hauptsache, er hat Spaß daran.

Im März 2011 wäre die Entwicklung aufgrund des Erdbebens in Japan fast gestoppt worden, weil das Team nicht wusste, wann es aufgrund der Nachbeben und der radioaktiven Strahlung weiter arbeiten konnte. Nach einer Woche entschieden sie jedoch, Super Mario 3D Land fertig zu stellen, weil sie die Menschen zu Weihnachten etwas geben wollten, über das sie sich freuen und lachen konnten. Sie bekamen viele dankbare Briefe von Spielern, die sich durch das Spiel an eine unbeschwerte Kindheit erinnern konnten. Diese Freude am Leben versucht Hayashida seit dem in seiner Arbeit und seinem Leben zu bewahren. "Nur wenn man Freude bei der Arbeit empfindet, kann daraus auch ein Spiel entstehen das Freude macht."

Miyamoto baue immer kleine Spiele in seinen Alltag ein, um diesen lustiger zu gestalten. Vielleicht sind es ja Inafunes Kritik und Hayashidas Freude und Optimismus, die in Japan bald wieder die kreative Sonne aufgehen lassen. (hag)