Speicherung der TK-Verbindungsdaten: Wer bietet weniger?

Die Vorratsdatenspeicherung für Telekommunukationsdaten ist nach wie vor umstritten; aber auch der gerechtere Ausgleich im Urheber-, Patent- und Markenrecht ist Gegenstand einer zweitägigen Essener Tagung.

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Von
  • Monika Ermert

Die vorgeschlagenen Fristen für die Speicherung von Telekommunikationsdaten müssen noch kürzer werden. Das sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Alfred Hartenbach, beim Auftakt eines wissenschaftlichen Kolloquiums des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen und der Alcatel-Stiftung zum Thema "Can Knowledge be made just?". Auch der gerechtere Ausgleich im Urheber-, Patent- und Markenrecht ist Gegenstand der zweitägigen Essener Tagung.

Hartenbach meinte, die Pläne für eine 12-Monatsfrist zur Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten gehe auf Gespräche zwischen Spanien, Frankreich und Deutschland nach den Terroranschlägen vom 11. März 2004 in Madrid zurück. Bislang war im Rat der Innen- und Justizminister der EU eine Initiative des Quartetts Großbritannien, Irland, Frankreich und Schweden zur Vorratsdatenspeicherung verhandelt worden. Bei den von den Telekommunikationsfirmen zu speichernden Verbindungsdaten geht es nach den Vorstellungen in der EU längst nicht mehr nur um eine angerufene Telefonnummer. Vielmehr geht es um sämtliche Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen.

Hartenbach sagte in Essen, der Zugriff auf die Verbindungsdaten sei "ein wichtiges und wertvolles Instrument für die Strafverfolgung -- denken Sie etwa an die Ermittlungen gegen Kinderpornographie im Internet". Gleichzeitig bedeute die unterschiedslose Speicherung der Telefon- und Internetnutzungsdaten aller Bürger allerdings "einen erheblichen Grundrechtseingriff", selbst wenn dabei nur gespeichert werde, wann und wie lange die Gespräche beziehungsweise die Netzeinwahl gedauert habe. Es werde dabei sowohl in die Rechte der Nutzer eingegriffen als auch in die der Unternehmen, für die die Speicherung eine erhebliche finanzielle Bürde darstelle.

"Bei den Verhandlungen in Brüssel," betonte Hartenbach, "werden wir daher darauf achten, dass die verschiedenen Interessen gleichermaßen berücksichtigt werden und der Kreis der gespeicherten Daten so eng und präzise wie möglich gezogen wird." Er versicherte, es gebe entgegen der Berichterstattung noch keine Festlegung dazu, wie die EU-Regelung am Ende aussehen werde. Dass nicht alles getan werden dürfe, was technisch machbar sei, wird laut Hartenbach am Beispiel der DNA-Analysen und deren Speicherung in einer zentralen BKA-Datenbank deutlich. Bei manchen Politikern brechen sich dabei, so Hartenbach, "Allmachtsphantasien von der kriminialitätsfreien Gesellschaft Bahn". Aber der Kinofilm "Minority Report" sei kein Vorbild, den gläsernen Bürger dürfe es nicht geben. Selbst wenn jede einzelne Erweiterung staatlicher Möglichkeiten, mehr über seine Bürger zu wissen, unbedenklich sei, im Zusammenspiel mit anderen Gesetzen gehe sie möglicherweise zu weit.

Hartenbach streifte in seinem Vortrag auch das nach wie vor im parlamentarischen Prozess steckende Informationsfreiheitsgesetz, das dem Bürger im Gegenzug mehr Informationen über den Staat geben soll. Wie viele Informationen der Staat dabei für sich behalten darf, ist nach wie vor Gegenstand der Verhandlungen. "Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auch in Deutschland bald ein Informationsfreiheitsgesetz haben werden wie in 50 anderen Staaten."

Eine Diskussion mit verschiedenen Referenten der Tagung riefen Hartenbachs Ausführungen zur dritten Facette der gerechten Wissensgesellschaft hervor, dem Schutz des Wissens durch Urheber-, Patent- und Markenrechte. Den vielfach zitierten gerechten Ausgleich zwischen dem Schutz der Investitionen und dem Zugangsrecht von Seiten der Öffentlichkeit hielten die Wissenschaftler unter anderem entgegen, dass die Grundlagen der abendländischen Kultur ohne Urheberrecht entstanden seien.

Christoph Engel, Jurist am Max-Planck-Institute for Research on Collective Goods in Bonn, sagte, in den Überlegungen der Bundesregierung zum zweiten Korb des Urheberrechts fehlten offensichtlich Überlegungen, die Kreativen statt durch das massive Eigentumsrecht eher durch ein Nachahmungsrecht zu schützen. Letzteres erleichtere den Zugang zum Wissen, ohne den Kreativen schutzlos zu lassen. Zudem warnte Engel vor einem Kollaps von Urheber- und Patentrechtssystem durch die fortschreitende Parzellierung des Wissens. Er nannte es skandalös, "wie wir den Amerikanern auf den Leim gegangen sind, indem wir technologische Schutztechniken strafrechtlich schützen". Der Staat mache sich damit schlicht "zum Büttel dessen, der die besten Schutztechniken hat." (Monika Ermert) / (jk)