Aus Gebärden wird Text

Forscher an der University of Aberdeen arbeiten an einer Software, die Hörbehinderten beim Kommunizieren mit Hörenden helfen soll.

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Von
  • David Zax

Forscher an der University of Aberdeen arbeiten an einer Software, die Hörbehinderten beim Kommunizieren mit Hörenden helfen soll.

Gehörlose und schwerhörige Menschen nutzen oft Gebärden, um mit ihrer Umwelt in Kontakt zu treten. Das Problem: Viele Hörende verstehen die visuelle Sprache schlicht nicht. Schottische Wissenschaftler entwickeln deshalb derzeit ein Verfahren, das als technische Übersetzungshilfe dienen soll. Dabei wird die Kamera eines Mobilgeräts verwendet, um Gebärdensprache zu erkennen und diese dann in Text umzusetzen. Das Verfahren wird von Technabling kommerzialisiert, einem Spin-off der University of Aberdeen.

Der sogenannte Personal Sign Language Translator, kurz PSLT, soll auf Laptops, Netbooks, Smartphones oder Tablets laufen und arbeitet mit jeder normalauflösenden Standardkamera. "Die Gebärden werden sofort in Texte umgesetzt, die dann von der Person gelesen werden können, mit der man gerade kommuniziert", sagt Ernesto Compatangelo, einer der beteiligten Forscher. Ziel der neuen App sei es, eine schnellere Kommunikation zwischen Menschen, die Gebärden nicht beherrschen, und Hörbehinderten zu erlauben.

Das System soll zunächst für die Gebärdenvarianten British Sign Language (BSL) und Makaton optimiert sein, wird sich aber auch an individuelle Nutzer anpassen lassen. "Eine der spannendsten Möglichkeiten unserer Forschung ist es, dass Nutzer ihr eigenes Vokabular festlegen können. Das gilt auch für Wörter, die sich in der BSL schwer ausdrücken lassen", sagt Compatangelo. Der PSLT soll es so erlauben, zum Beispiel Fachbegriffe einzufügen. "Jede Art von Jargon ist möglich, egal ob im Bildungs- Arbeits- oder Heimbereich."

Compatangelos Kollege James Christie, der selbst teilweise taub ist und Gebärden im täglichen Leben nutzt, glaubt, dass die Technik besonders solchen Menschen helfen könnte, die taub geboren sind oder früh ihr Gehör verloren haben. "Der PSLT eignet sich insbesondere in Situationen von Mensch zu Mensch, beispielsweise bei Seminaren oder in der Gruppenarbeit." Die Zielgruppe ist nicht klein: In Großbritannien gibt es allein 70.000 Personen, die die Gebärdensprache BSL aktiv nutzen.

Compatangelo, Christie und ihre Kollegen untersuchen derzeit verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten bei der Nutzerschnittstelle. Neben der Fernkommunikation wäre es auch möglich, ein Smartphone als direkte Übersetzungshilfe zu nutzen, bei der der Text als Sprachausgabe an den Kommunikationspartner im gleichen Raum ausgegeben wird. Der Nutzer müsste dann nur noch dafür sorgen, dass er stets gut im Bild ist. Aktuell geht es Technabling aber zunächst darum, die Erkennungstechnik zu optimieren.

Der PSLT wäre das erste System, das Gebärden automatisch zuverlässig übersetzt. Alternativ besteht für Gehörlose nur die Möglichkeit, einen Übersetzungsdienst, den sogenannten Video Relay Service (VRS), zu verwenden. Hierbei wird ein menschlicher Helfer zwischengeschaltet, der die Gebärdensprache in Text oder gesprochene Sprache umwandelt, damit sie auch Gesprächspartner verstehen, die keine Gebärden beherrschen. VRS-Angebote gibt es mittlerweile auch für Smartphones, als Kommunikationskanal dient dabei Videochat über das Internet.

Die Technabling-Forscher sehen außerdem Anwendungsmöglichkeiten für den PSLT, die über die Nutzung durch Hörbehinderte hinausgehen. Menschen, die beispielsweise nach einem Unfall Sprachschwierigkeiten haben, könnten mit der Technik eigene Kommandos erfassen, um ihrem Umfeld mit Gesten schneller mitzuteilen, wo sie Hilfe benötigen. Ein Erlernen der Gebärden wäre so gar nicht notwendig. Ein weiteres Nutzungsfeld ist die Steuerung von "Smart Home"-Geräten oder Unterhaltungselektronik.

Egal für welchen Anwendungszweck sich Technabling schließlich entscheidet – die Vermarktung der PSLT-Software wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Aktuell ist ein Verkaufsstart für Ende 2013 geplant. (bsc)