Patent auf "mobiles Surfen" erhält Negativauszeichnung

Ein Siemens zugesprochener Monopolschutz zum Datenaustausch über ein Mobilfunknetz ist im Juli zum "Softwarepatent des Monats" gekürt worden; im August stehen fünf mit Preisen ausgezeichnete Schutzansprüche zur Wahl.

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Ein Siemens zugesprochener Monopolschutz zum Datenaustausch über ein Mobilfunknetz ist aus der Abstimmung über das "Softwarepatent des Monats" im Juli als Sieger hervorgegangen. Etwas über 44 Prozent der 913 Teilnehmer an der Aktion NoSoftwarepatents-Award votierten für das Patent, das den Transfer von Daten zwischen einem Mobiltelefon und einem Server abdeckt und maximal noch bis zum Juli 2015 läuft. Das Europäische Patentamt (EPA) gewährte das Schutzrecht im Januar 2004 unter der Nummer EP0836787. Der französische Konzern Sagem hatte 2004 Einspruch gegen das Patent eingelegt, diesen aber Ende 2005 wieder zurückgezogen.

"Wer geschäftlich per Mobiltelefon und Laptop im Internet surft, verletzt geistiges Eigentum der Siemens AG", sind sich die Macher der Kampagne sicher, die von 1&1, GMX, mySQL, Red Hat und CAS unterstützt wird. "Die Gefahr eines solchen Softwarepatents liegt in der nicht gewährleisteten Interoperabilität zwischen den beteiligten Kommunikationspartnern", warnt Norbert Pohlmann, Professor für den Bereich Internet und Mobile Netze am Institut für Internetsicherheit an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Solche Interaktionsmöglichkeiten seien aber in modernen Informationsgesellschaften unverzichtbar für wirtschaftliches Wachstum. "Ohne eine Übertragung von Datenpaketen über zellulare Mobilfunknetze würden wir als Wissens- und Informationsgesellschaft in die Steinzeit zurückkehren", betont der Forscher, der während der Hochzeit des Streits um eine letztlich gescheiterte EU-Richtlinie zur Softwarepatentierung ein Gutachten zum Thema Interoperabilität und Rechtsschutz mitverfasst hatte.

"Wird das Softwarepatent EP0836787 von Siemens rechtlich wirksam, wären viele elementare Internet-Dienste und das Laden von Daten per Mobilfunkverbindung betroffen", skizziert Achim Weiss, Vorstand Technik der 1&1 Internet AG, mögliche Auswirkungen einer rechtlichen Durchsetzung des Patents. Der Wettbewerb bei diesen Dienstleistungen könnte behindert werden, wobei die Verbraucher am Ende die Zeche durch höhere Preise zahlen müssten. "Noch lassen sich solche Softwarepatente in Europa nicht rechtlich durchsetzen", kommentiert Kampagnenmanager Harald Talarczyk. Dies könne sich aber schnell ändern, wenn es etwa in Europa zu einer zentralisierten Streitregelung bei Patentstreitigkeiten komme, wie sie verstärkt auch bei der EU-Kommission in Brüssel unter dem Aufhänger des European Patent Litigation Agreement ( EPLA) diskutiert wird.

Der Hauptanspruch des Siegerpatents deckt die gemeinsame Übertragung von "Datenpaketen" und "Signalisierungsinformationen in einem Datenprotokoll" zwischen einem mobilen Client in Form einer "Teilnehmerstation" und einem "gesonderten Dienstenetzknoten" ab. Entsprechend geschützte Verfahren werden auch in Deutschland verstärkt vermarktet. Laut der ARD/ZDF-Online-Studie 2006 verfügen bereits 34 Prozent der Onliner über die Möglichkeit, via Laptop und Handy ins Netz zu gehen. Vom Siemens-Patent betroffen sehen die Kampagnenmacher aber auch die E-Mail-Kommunikation per Mobiltelefon und den Transfer von Dateien via WLAN.

Siemens selbst wollte gegenüber den Organisatoren der Auszeichnung keinen Kommentar abgeben. Laut einschlägigen Statistiken hält der Konzern über 30 Prozent aller deutschen Softwarepatente. In Europa lag Siemens im Jahr 2005 in der Patentierungsrangliste auf dem zweiten Platz. Die Münchner bezeichnen sich selbst als "eine der größten Patent-Law-Firmen". Sie würden bei Verletzungen ihrer Monopolansprüche auch gerichtliche Auseinandersetzungen nicht scheuen, um Marktpositionen zu sichern. "Man muss sich fragen, ob Siemens nicht drauf und dran ist, zu einem der größten Patent-Trolle der Welt zu werden", hält Florian Müller, Gründer der Kampagne NoSoftwarePatents.com, dem entgegen. "Die tatsächliche Geräteproduktion stößt man beispielsweise an BenQ ab, die Entwicklung wird nach Indien verlagert und in Europa tut man sich in erster Linie mit Unmengen von Softwarepatent-Anmeldungen hervor." Leider gebe es zu viele Politiker, "die so etwas dann mit Innovation und Wettbewerbsfähigkeit verwechseln".

Passend dazu stehen im August fünf vom EPA vergebene Patente zur Wahl, deren Inhaber mit verschiedenen Preisen für "hervorragende Innovation" ausgezeichnet wurden. Zu den Kandidaten gehört ein Anspruch der Fraunhofer-Gesellschaft, der sich mit dem MP3-Codierverfahren befasst, genauso wie ein Patent auf das "Filtern von Internet-Inhalten", das die Leipziger IT-Firma Nutzwerk erhalten hat. Auf das Votum der Surfer harren zudem Ansprüche von Lucent auf Voice over IP, von Reinhold Bareiß für Eagle Peak auf konfigurierbare Eingabemasken und auf ein Printing-on-Demand-Verfahren, das sich Heike Strehler von der Firma Picturation schützen ließ.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)