Nokia Siemens: Bedenken gegen Sonderregelungen für Gewerkschafter

Einer gerichtlichen Prüfung werde die Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Nokia Siemens Networks zum Erhalt der Münchner Dependance nicht standhalten, meinen Arbeitsrechtler.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Kompromiss, den Nokia Siemens Networks (NSN) und Arbeitnehmervertreter zum Erhalt des Münchner Standortes ausgehandelt haben, könnte einer arbeitsgerichtlichen Prüfung in wichtigen Punkten womöglich nicht standhalten. "Ich sehe ein erhebliches Rechtsrisiko", sagte Volker Rieble, Professor für Arbeitsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), der Süddeutschen Zeitung angesichts der vereinbarten Sonderregelungen für Gewerkschaftsmitglieder.

Die IG Metall hat mit der Firmenleitung von NSN dem Bericht zufolge ausgehandelt, dass ihre Mitglieder, die in der Transfergesellschaft wechseln, 80 Prozent des bisherigen Gehalts bekommen sollen – die anderen Beschäftigten dagegen nur 70 Prozent. Außerdem habe die IG Metall für ihre Mitglieder eine höhere Abfindung ausgehandelt. Für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder soll sie ein Jahresgehalt betragen, Mitglieder der IG Metall sollen 10.000 Euro mehr bekommen. "Eine Gleichbehandlungsklage hat sicher Aussicht auf Erfolg", so Rieble; insbesondere an der hohen Differenz bei den Abfindungen könnten sich Arbeitsrichter stören.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat erstmals 1967 über Extra-Zahlungen für Gewerkschaftsmitglieder geurteilt, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Damals lehnten die Richter jede Sonderleistung ab. Sie argumentierten, mit den Boni solle Druck auf Arbeitnehmer ausgeübt werden, einer Gewerkschaft beizutreten. Später gab es auch Urteile, die gewisse Privilegien für Gewerkschaftsmitglieder billigten.

Auch bei der Regelung von NSN dürfte entscheidend sein, ob die Mitarbeiter dadurch unter Druck gesetzt werden, in die Gewerkschaft einzutreten. "Wenn unzumutbarer Beitrittsdruck ausgeübt würde, wäre das ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit, und das wäre damit verfassungswidrig", sagt Professor Martin Franzen, der an der LMU deutsches, europäisches, internationales Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht lehrt. Richard Giesen, ebenfalls Professor für Arbeits-, Sozialrecht und Bürgerliches Recht an der LMU, spricht gar von einer "Riesenschweinerei".

Die Gewerkschaft dagegen verteidigt ihr Verhandlungsergebnis: "Wir sind unseren Mitgliedern verpflichtet", sagte Münchens IG-Metall-Chef Horst Lischka gegenüber der Süddeutschen Zeitung. "Wenn sich durch unsere Arbeit auch die Bedingungen für andere verbessern, ist das schön. Aber das ist nicht das Ziel einer Gewerkschaft."

Der Netzwerkausrüster NSN schreibt seit Jahren rote Zahlen, will sich künftig auf mobiles Breitband konzentrieren und weltweit 17.000 Stellen streichen – davon 2900 in Deutschland. NSN-Chef Rajeev Suri wollte den Standort München eigentlich komplett schließen, 2000 Mitarbeiter entlassen und die restlichen 1600 versetzen. Nach einem am Freitag erzielten Kompromiss soll der größte deutsche NSN-Standort erhalten bleiben. 2000 Mitarbeiter können bleiben, die restlichen 1600 müssen in eine Transfergesellschaft oder in Altersteilzeit wechseln. (mit Material von dpa) / (jk)