Im Körper des Feindes

Erst waren sie Freunde, dann "Frenemies". Und bald sind sie wohl nur noch erbitterte Konkurrenten. Die Beziehung zwischen Apple und Samsung verschlechtert sich stetig. Und nach dem China-Besuch von Tim Cook wird auch in Ansätzen klar, wie Apple ohne die Hilfe der Südkoreaner das iPhone und iPad bauen will.

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Von
  • Christoph Dernbach

Es gibt nur wenige Firmen weltweit, die durch Lieferverträge in Milliardenhöhe miteinander verbunden sind. Apple und Samsung fallen in diese spezielle Kategorie. Im vergangenen Jahr bestellte Apple für umgerechnet 6,2 Milliarden Euro Komponenten bei Samsung Electronics, wohlgemerkt Milliarden, nicht Millionen. Damit hält Apple mit Abstand die Position des größten Samsung-Kunden inne und war im vergangenen Jahr für 7,6 Prozent des Umsatzes bei Samsung Electronics verantwortlich. Aber auch Apple ist von Samsung abhängig: Ohne die Komponenten aus Südkorea könnte derzeit weder das iPhone noch das iPad gebaut werden.

Vor diesem Hintergrund kann man kaum glauben, dass Apple und Samsung sich inzwischen in zehn Ländern in knapp 40 verschiedenen Einzelverfahren vor Gericht streiten, so dass der Begriff des Patentkrieges diesmal wohl nicht zu martialisch erscheint. Die Auseinandersetzung zwischen den Südkoreanern und Apple stellt auch all die Verfahren in den Schatten, die Apple gegen HTC, Motorola und andere angestrengt hat. Samsung, HTC und Motorola eint, dass sie gegen Apple letztlich einen Stellvertreterkrieg für Google führen. Denn erst mit dem von Google vorangetriebenen Mobilsystem Android konnten die drei ihre Smartphones erfolgreich gegen das iPhone positionieren. "Wir haben uns nicht auf das Feld der Suchmaschinen begeben", schwor Apple-Mitbegründer Steve Jobs im Januar 2010 seine Mitarbeiter in einem Meeting auf dem Apple-Campus in Cupertino gegen Google ein. "Sie sind in das Telefon-Geschäft eingestiegen. Macht Euch nichts vor: Sie wollen das iPhone killen."

Der im Oktober 2011 verstorbene Jobs konzentrierte sich die letzten 18 Monate seines Lebens darauf, den Feldzug gegen Google und seine Android-Partner zu entwerfen. Seinem Biographen Walter Isaacson sagte er: "Das ist ein schwerer Diebstahl. Ich werde meinen letzten Atemzug und jeden Penny von unseren 40 Milliarden Dollar (Rücklagen) auf der Bank dafür verwenden, um dieses Unrecht richtigzustellen. Ich werde Android zerstören, denn es ist ein geklautes Produkt. Ich bin bereit, dafür einen thermonuklearen Krieg anzufangen."

HTC, Motorola und vor allem Samsung ließen sich von der kriegerischen Rhetorik des Apple-Gründers wenig beeindrucken und konterten mit einer Klagewelle. Und sie produzierten ein Smartphone nach dem anderen. So findet man heute auf der Website von Samsung mehr als 130 unterschiedliche Handytypen, darunter viele Android- oder Bada-Smartphones, die nach Auffassung der Apple-Anwälte häufig nicht mehr als schlechte iPhone-Kopien darstellen. Das zerrüttete Verhältnis zwischen Apple und Samsung konnte auch nicht durch Gesten der Samsung-Führung gekittet werden, die nach dem Tod von Steve Jobs die Einführung des neuesten Smartphones Galaxy Nexus um einige Tage verschob und mit Samsung-Präsident Lee Jae-yong auf der Trauerfeier für Jobs in Cupertino erschien. Solange Samsung auf Android setzt, stehen für Apple die Zeichen auf Sturm.

Android hat sich für Samsung als gewaltige Erfolgsgeschichte erwiesen, auch wenn den Managern in Seoul inzwischen langsam dämmert, dass Android vielleicht nicht immer die ideale Wahl für ein Smartphone-System war. Das von Google vorangetriebene System ist nämlich in Sachen Urheber- und Patentrecht nicht wasserdicht. So muss Samsung dem Vernehmen nach für jedes Smartphone zwischen 10 und 15 Dollar an Microsoft zahlen, weil Android auch Funktionen verwendet, die die Redmonder erfolgreich patentiert haben. An der Grenze von Android und iOS wird es für Samsung noch komplizierter: Apple ist nämlich im Unterschied zu Microsoft gar nicht an Lizenzzahlungen interessiert. Die Kalifornier müssen in der Regel auch keine Lizenzen erteilen, denn im Gegensatz zu den sogenannten FRAND-Patenten, die in einen allgemeinen technischen Standard wie UMTS eingebracht wurden, besteht bei den meisten Apple-Patenten keine ähnliche Lizenzierungspflicht.

Apple-Chef Tim Cook will vielmehr mit den Patenten in der Hand erzwingen, dass sich iOS von Konkurrenzsystemen wie Android klar abhebt, damit er weiterhin iPhone und iPad als Premium-Geräte mit exklusiven Features vermarkten kann. So beansprucht Apple bestimmte maßgebliche Multitouch-Funktionen wie Pinch to Zoom exklusiv für sich und will der Konkurrenz auch Kleinigkeiten wie die Bildschirm-Entsperrfunktion Slide to Unlock oder das Overscroll Bounce genannte Scroll-Verhalten verbieten lassen, bei dem der Bildschirminhalt wie von einem Gummiband gehalten zurückfedert, wenn man über das Seiten- oder Listenende hinaus scrollt. Samsung setzt wie andere Apple-Konkurrenten darauf, dass die von Apple gehaltenen Patente nicht stark genug sind, vor den Gerichten in aller Welt zu bestehen. Die Prozesse in Mannheim, Düsseldorf und München entsprechen dabei nur den ersten Scharmützeln der Spähertruppen.

Um den Streitereien mit Apple aus dem Weg zu gehen, könnte Samsung theoretisch Android den Rücken kehren. Als Alternative zu Android hat Samsung das Eigengewächs Bada und Windows Phone von Microsoft im Programm. Doch Bada ist für den High-End-Markt einfach zu schlicht. Mit Windows Phone wäre Samsung zwar rechtlich auf der sicheren Seite. Doch Microsoft hat sich mit seinen Mobilfunk-Plänen inzwischen so eng an den Samsung-Konkurrenten Nokia gekettet, dass eine Premium-Partnerschaft zwischen Samsung und Microsoft nicht mehr in Frage kommt. Daher hat sich Android insbesondere für die Spitzenmodelle von Samsung letztlich doch als die beste Wahl erwiesen.

In den kommenden Monaten wird der Druck auf Samsung wachsen. Zum einen müssen die Südkoreaner beweisen, dass sich ihr Tablet-Computer Galaxy Tab im Wettkampf mit dem iPad so behaupten kann wie die Samsung-Smartphones gegen das iPhone. Bislang wurden von den zahllosen Android-Tablets nur der Kindle Fire in nennenswerten Stückzahlen verkauft, auch weil er von Amazon unter Herstellungskosten abgegeben wird. Von Mega-Produkteinführungen wie beim neuen iPad, als innerhalb von drei Tagen drei Millionen Apple-Tablets unter das Volk gebracht wurden, können aber Samsung und auch Amazon nur träumen.

Die Südkoreaner müssen aber nicht nur im Wettbewerb der Geräte bestehen. Samsung muss auch das Milliarden-Geschäft mit Apple fürchten. Es ist sicherlich kein Zufall, dass zum Besuch von Apple-CEO Tim Cook der Apple-Hauslieferant Foxconn ankündigte, mit 600 Millionen Euro bei japanischen Samsung-Konkurrent Sharp einzusteigen. Apple hatte zuvor vergeblich versucht, das Retina-Display des neuen iPads bei Sharp und LG in Auftrag zu geben, um sich aus der Abhängigkeit von Samsung zu lösen. Doch da die beiden Unternehmen nicht in ausreichender Stückzahl und Qualität liefern konnten, landete Apple wieder in den Armen des ungeliebten Feindes Samsung. Mit der Investition von Foxconn bei Sharp könnte sich das Blatt wenden. Und sollte Apple tatsächlich demnächst einen eigenen Fernseher auf den Markt bringen, wäre man von Anfang an nicht auf Samsung als Panel-Hersteller angewiesen.

Doch nicht nur das hoch auflösenden Display im neuen iPad stammt bislang von Samsung, sondern auch der von Apple entworfene Chip A5X. Auch hier müsste ein anderer Hersteller gefunden werden, der die ARM-Prozessoren in der gewünschten Qualität und Masse fertigen kann. Das taiwanische Branchenblatt Digitimes hatte mehrfach darüber spekuliert, Apple werde seine künftigen Mobil-CPUs bei der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) herstellen lassen. Dort werden unter anderem die ARM-Chips von Nvidia produziert. Doch bislang scheint Samsung mit seiner 45-Nanometer-Technologie bei der Herstellung des A5X für das iPad und des A5 für das iPhone noch nicht ersetzbar – mit der Betonung auf "noch". Zur Not wird Apple einem Partner wie TSMC mit seinem Milliarden-Vermögen unter die Arme greifen, bis der Erzfeind Samsung auch bei der Chip-Zulieferung für iPhone und iPad abgelöst werden kann. (mst)