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Was war. Was wird.

Es ist Sommer. Während auf sieben Kontinenten die internationale Pop-Prominenz ganz ergriffen von der eigenen Großartigkeit gleich die ganze Welt rettet, flaniert Hal Faber über Blümchenwiesen 2.0 und sucht den Bundestrojaner.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Es ist Sommer. Dazu brauche ich nicht den Blick auf die nasse norddeutsche Tiefebene mit ihren fauligen Maiskolben, dazu genügt ein Blick in die Mailbox. Wenn PR-Agenturen mangels Inhalt anfangen, PR-Meldungen auf Bayerisch oder Plattdeutsch zu verschicken, dann ist Sommer. Irgendwo in Deutschland muss irgendjemand im Büro einen Hitzschlag gehabt haben. So lesen wir "XYZ macht und duad Internet-Communities. Weils des so guat macha und keanna, dans es a fia andere macha: Es kost nix und bringt an Haffa." Aus Protest kommt dann die norddeutsche Fassung: "XYZ entwickelt, betreibt und vermarktet Internet-Communities. Der Spezialist für Social Networks bietet als White-Label Solution Provider seinen Kunden eine lebendige Kommunikationsplattform ohne Investitionsrisiko." Irgendwie finde ich "fia andere macha" dann doch schöner als White Label Solution Provider für Katza Blogga.

*** Mit dem Sommer kommt die Zeit der Sommerlöcher, der Sommerrätselwettbewerbe und einiger anderer Kurzweiligkeiten, die nur dazu da sind, der Wochenschau ein paar Visits zu bringen. Wie immer wird nach neckischen Sachen in verschiedenen Kategorien wie Hard- und Software gesucht. Beginnen wir die Rätselei ganz webzweinullig mit echtem "fia andere macha", mit einem anspruchsvollen Leserwettbewerb. Den Ausgangspunkt für diesen Wettbewerb liefert der gewissermaßen als Schirmherr auftretende Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit seiner kundigen Beschreibung der Online-Durchsuchung im Kampf gegen den Terrorismus. Dieser Minister, der unser Grundgesetz so formidabel zu Tode schützt, hat nur eine sehr vage Vorstellung Richtung "moderne Telefonanlage" und wird mit Beschreibungen versorgt, die aus dem Zeitalter der Buschtrommel stammen. Der Wettbewerb "Deutschland sucht den Online-Trojaner" (DSDOT) soll darum für Aufklärung sorgen. In diesem Wettbewerb ist alles erlaubt, vom Softwarecode über kreative Photoshopperei bis zum Bau einer heisigen Sandburg, auch wenn diese nicht die erforderlichen drei Monate Suchdauer durchhalten dürfte. Notfalls wird sogar die Seuche Flash akzeptiert.

*** Eine ordentliche Online-Durchsuchung ist ein Angriff auf die Ahnungslosen gestartet von Ahnungslosen mit ziemlich ratlosen Erklärbären, wie es diese PDF-Datei zeigt. Zur Einstimmung wie Anregung sei vorab eine liebevolle Bastelei präsentiert. Von DSDOT ausgeschlossen sind die Mitarbeiter des Heise Verlages und jenes höhere Wesen namens Burks, das überall nur Enten sieht.

*** Macht mit bei DSDOT, denn er dient ja einem guten Zweck, der Online-Trojaner. Unermüdlich spürt er nach dem Gefährder in uns allen, dem schnellstens das [ttp://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,493094,00.html Handy weggenommen] und der Kontakt zum Internet verboten werden muss. Sofern es sich gerade nicht um islamische Geistliche und Politiker handelt, die in abhörfreien Zonen lebend konsequenterweise auch dem Tun und Trachten eines Trojaners entzogen sind. Strafverschärfend brauchen wir im Präventivstaat nur noch Gefährderlager für mögliche Kombattanten, so genannte Röwecamps. Bleibt nur die Frage, ob unser Bundesinnenminister zu viel Incarcarex-Tabletten einwirft.

*** Schaue ich mal nicht zum Fenster raus, sondern ins Netz, so finde ich Blümchenwiesen 2.0, ein weiteres Indiz dafür, dass der Sommer angebrochen ist. Fehlt nur noch, dass ein Bärenmarkenbär über die Wiesen torkelt, dann ist die Halluzination perfekt. Die Symbole stimmen jedenfalls: mit den neuen, vom Bundesrat durchgewinkten Hackerparagraphen des Strafgesetzbuches ist Deutschland ein großes Stück auf dem Weg zum Agrarstaat vorangekommen, komplett mit einem restriktiven Zuwanderungsgesetz für Menschen ab 85.000 Euro Jahresverdienst aufwärts. Fein abgestimmt wird das Ganze durch den Bundestag, der für den jährlichen Mikrozensus beschlossen hat, die Frauen nicht nur nach der Zahl ihrer Kinder zu befragen, damit die Gründe der zunehmenden Kinderlosigkeit erforscht werden können.

*** Vor 40 Jahren hieß es noch ganz lieb vor 400 Millionen Menschen All you need is love. Danach wurden die klampfenden Hippies mit donnernder Fröhlichkeit weggepustet. Währen ich am Brett sitze, soll jeder dritte Erdbewohner dabei sein, wenn auf 10 Bühnen, verteilt über 7 Kontinente Live Earth popt. Musik satt, unter dem Motto "Save our Selves": Diesmal wird gegen die menschliche Dummheit gesungen. Schon der große Brecht dichtete Denn wie man sich rettet, so liegt man, es wird einem gar nichts geschenkt. Wie man seinen Ar^H^H, ähem seine Erde rettet, zeigte dieser Tage der Stromkonzern Vattenfall mit einer Serie von Nicht-Informationen. Schuld an der Unterschätzung der Öffentlichkeit haben natürlich die Medien. Auch so kann man das Thema Atomstrom endlagern.

*** Geht es mit der Menschheit zu Ende? Wie wäre es mit einer Rechenmaschine, die präzise das Todesdatum eines Menschen berechnen kann? Vor hundert Jahren wurde Robert Heinlein am 07.07.07 geboren. Seine erste Geschichte "Life Line" handelte von diesem Todes-Rechner, auf den wir immer noch warten müssen. Immerhin, der passende Rechner zur Körperverwertung ist schon da. Mit Fremder in einer fremden Welt schrieb Heinlein einen der großen SF-Romane, der uns das Wasserbett bescherte. Vieles, was er schrieb, war militaristisch geprägt und daher nicht jedermanns Geschmack. Überlassen wir daher das Lob Heinleins dem Blatt, das genre von Übermenschen phantasiert, auch wenn nur von Stauffenberg und Tom Cruise gemeint sind. Fehlt mir der nötige Respekt, die richtige Sicht auf diese Riesen? Mag sein. Eigentlich lese ich ganz gerne gut geschriebene Adelsnachrichten.

Was wird.

Das iPhone ist da und beschäftigt (bald nur noch im Ausland) Horden von Sicherheitsspezialisten. Die anderen Horden wachen erstaunt auf und wundern sich, dass sich die Erde weiter dreht, ganz ohne Touchscreen-Interface. Unter den Kollegen tauchen die ersten Geschichten auf, die das eigentliche Killer-Telefon zum Weihnachtsgeschäft erwarten. Alles geht also wie gwohnt seinen Gang in den Ebenen, selbst die Tour de France mit ihren 20 Gängen. Während bei uns die Terrorgefahr steigt und steigt, sausen die Pedaleure durch London und nach Canterbury, als seien sie gedopt. Sind sie natürlich nicht, schriftlich erpresstes Ehrenwort inklusive. Als besorgter Vater muss man ja zufrieden sein in diesen Tagen, dass die Kinder Flatratetrinker und keine Radsportler geworden sind. Zumal die Sportart auch noch von einem Patent bedroht ist.

Genießen wir den Sommer, suchen wir den besten Online-Trojaner und haben allzeit genug Luft im Reifen. Veranstaltungen, auf denen offen über die Funktionsweise des Bundestrojaners gesprochen wird, dürften bald nicht mehr ohne weiteres möglich sein, weil schon der Link aufs kleinste Hackertool ein schweres Vergehen sein wird. Auch für die offene Diskussion über Biometrie, wie sie das CAST-Forum wieder einmal veranstaltet, wird sich ein Paragraph finden lassen. Notfalls genügt ein Blick nach Großbritannien, wo die neue Regierung im Oktober daran gehen wird, ein allgemeines Verbot nicht genehmigter Kryptographie durch die parlamentarischen Gremien zu drücken. Ein verschlüsselter Text bei einem verdächtigen Falschparker ist schnell gefunden. (Hal Faber) / (vbr)