Microsoft-Prozeß: Wieder wackelt ein Zeuge
Im laufenden Kartellverfahren der US-Regierung gegen Microsoft ist erneut eine belastende EMail aufgetaucht.
Im laufenden Kartellverfahren der US-Regierung gegen Microsoft ist erneut eine belastende EMail aufgetaucht. Das Schriftstück stammt diesmal aus der Hauspost von Compaq und unterminiert die schriftliche Aussage des Compaq-Managers John T. Rose, die dieser gestern in seiner Zeugenaussage vor Gericht ausdrücklich bestätigt hatte.
Hintergrund der Befragung war ein Vertrag, den Compaq vor rund zwei Jahren mit America Online (AOL) geschlossen hatte und in dessen Folge Microsofts Internet Explorer auf Compaq-Computern durch den konkurrierenden Browser des Erzrivalen Netscape ersetzt wurde. Nach Erkenntnissen der US-Justiz soll Microsoft dem Computerhersteller den Entzug der Windows-Lizenz angedroht haben, wenn die Entscheidung nicht rückgängig gemacht werde.
In seiner gestrigen Vernehmung führte Rose den Vorgang auf ein Mißverständnis zurück. Eine Drohung habe es nicht gegeben. Vielmehr sei der Compaq-Mitarbeiter, der den AOL-Deal betreute, infolge einer Panne von der internen Kommunikation abgeschnitten gewesen. Er habe deshalb nicht rechtzeitig erfahren, daß das Entfernen des Internet Explorer gegen bestehende Verträge mit Microsoft verstoße. Nach einem Hinweis aus Redmond habe Compaq die Entscheidung des Mitarbeiters umgehend rückgängig gemacht.
Im Kreuzverhör konfrontierte Chef-Ankläger David Boies den Zeugen mit einer EMail, in der Compaq-Manager Bob Friedman nach einem Treffen mit Microsoft-Mitarbeiter Joe Williams zu einer anderen Einschätzung kommt. Demnach gab es bei Compaq bereits 1996 kaum noch Zweifel, daß Microsoft auf Kollisionskurs zum Navigator gehen würde. "Es scheint, daß Microsoft ganz entschieden Netscapes Navigator von Presario-Desktops fernhalten will", notierte Friedman: "Microsoft wird eine exklusive Vereinbarung fordern [...]." In dem Gespräch zwischen Friedman und Williams hatten die Partner mögliche Geschäftsmodelle mit Internet-Providern und Online-Diensten diskutiert. Microsofts Modell sah vor, gegen eine Vermittlungsprämie Icons einiger Dienstleister in Windows zu integrieren. Compaq favorisierte ein vergleichbares Modell, wollte allerdings Microsoft nicht daran beteiligen.
Auch im weiteren Verlauf des Verhörs gelang es Boies wiederholt, die Aussagen von Rose zu erschüttern. Unter anderem hatte der Compaq-Manager ausgesagt, er habe niemals mit Bill Gates persönlich über das laufende Anti-Trust-Verfahren gesprochen. Boies konnte jedoch aus einem Schreiben von Gates zitieren, in dem sich der Microsoft-Chairman "für Ihre Bereitschaft, viel Zeit für das Gerichtsverfahren [zu opfern]" bei Rose bedankte. (em)