Europäisches Patentamt gegen neue Softwarepatent-Debatte

Auf einer Tagung der Münchner Behörde in Brüssel gab es viele Stimmen, die sich gegen eine Wiederaufnahme gesetzgeberischer Aktivitäten rund um den Rechtsschutz "computerimplementierte Erfindungen" aussprachen

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 70 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Stefan Krempl

Laut dem Europäischen Patentamt (EPA) besteht derzeit kein Bedarf, neue gesetzgeberische Aktivitäten rund um den gewerblichen Rechtsschutz "computerimplementierter Erfindungen" zu starten. "Keine Wiederbelebung der Softwarepatent-Debatte" sei gewünscht, bezieht sich die Münchner Behörde in einer Mitteilung auf die Meinung von Experten bei einer vom eigenen Haus organisierten Konferenz zum Stand der Diskussionen über das Reizthema. Die Öffentlichkeitsarbeiter des EPA vergaßen dabei sogar, den Begriff "Softwarepatente" in Anführungszeichen zu setzen. Der Diktion des Amtes nach gibt es in Europa eigentlich keinen Patentschutz für Computerprogramme. Vielmehr spricht das EPA von Möglichkeit, zeitlich befristete staatliche Monopolansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" zu erwerben.

Tausende entsprechender Patente haben die Münchner bereits auf Basis ihrer weitgehenden Vergabepraxis erteilt. Generell hält die Behörde immer wieder daran fest und sieht sich damit im Einklang mit dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ). Artikel 52 dieser rechtlichen Grundlage für die Patentvergabe des EPA besagt, dass etwa geschäftliche Tätigkeiten und Datenverarbeitungsprogramme "als solche" nicht patentierbar sind. Die Neuheit und der erfinderische Schritt eines Patentanspruchs müssen laut der Beschwerdekammern der Behörde aber auch im Bereich "computerimplementierter Erfindungen" auf klar definierten technischen Funktionen basieren.

Das EPA hatte zu seiner Konferenz, die es symbolträchtig zwei Jahre nach dem Scheitern der heftig umkämpften EU-Softwarepatent-Richtlinie im EU-Parlament ansetzte, alte Kontrahenten aus dem damaligen Kampf geladen. Der FDP-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis erklärte als einstiger Befürworter der Direktive gemäß den Vorschlägen des EU-Rates, dass es "eine echte Vermischung von Fakten und Realitäten" gegeben habe. Der Hauptkonflikt habe eigentlich zwischen Erfindern und Produzenten gelegen, nicht zwischen großen und kleinen Unternehmen.

Die österreichische Grünen-Abgeordnete Eva Lichtenberger, ausgewiesene Gegnerin von Softwarepatenten, zweifelte dagegen die innovationsanreizende Wirkung von Patenten und damit auch die Arbeit des EPA an. Der gewerbliche Rechtsschutz ist ihrer Ansicht nach "nicht die Lösung für wirtschaftliches Wachstum in der EU". Sie verlangte laut einem Medienbericht im Einklang mit einer Resolution des EU-Parlaments eine stärkere demokratische Kontrolle der Behörde. Zudem sei eine Stärkung der Debatte über Softwarepatente erforderlich, damit diese nicht zu einer "Einbahnstraße für die Industrie" verkomme.

"Nein, danke", distanzierte sich dagegen etwa Francisco Mingorance vom Branchenverband Business Software Alliance (BSA) von neuen Diskussionen über "computerimplementierte Erfindungen". Er verwies auf die US-amerikanischen, von seiner Vereinigung unterstützten Ansätze zur Reform des Patentwesens. Dabei soll unter anderem die Qualität von Patenten allgemein erhöht werden. Das ist ein Ziel, das sich auch die neue Präsidentin des Europäischen Patentamtes, Alison Brimelow, angesichts wachsender Bedenken über eine Überhitzung des Patentsystems gesetzt hat.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (vbr)